Magyria 02 - Die Seele des Schattens
fühlte er, wie der Schmerz ihn übermannte.
Dort am Gitter stand der König des Lichts im weißen Gewand.
Ein Zittern durchlief Mattims Körper, er ließ Hanna los, hörte sie rufen: »Was ist mit dir?«, dann krümmte er sich schon am Boden. Das Licht verbrannte ihn. Es drang durch seine Poren und versengte alles in ihm, was dunkel war. Seine Hände krallten sich ins Stroh und schoben es hektisch beiseite, aber darunter stieß er auf harten Stein. Er konnte nicht durch den Fußboden verschwinden. Überall war Licht.
»Mattim!«, schrie Hanna. »Mattim!«
Ihm selbst fehlte die Kraft zum Schreien. Er dachte nur noch: Akink im Licht. Akink im Licht. Nichts anderes als das. Der Schmerz löschte jeden Gedanken aus. Den Wunsch, sich durch die Steine zu zwängen, im Boden zu versickern, zu entkommen. Da war nur noch der Schmerz.
Akink im Licht.
Dann war Hanna vor ihm und richtete ihn auf; er fühlte ihre warme, pulsierende Gegenwart vor sich. Sie schlang beide Arme um ihn, zog ihn zu sich. Ihre warme Haut, das Leben … Wie ein Ertrinkender klammerte er sich an sie und schlug die Zähne in ihre Schulter.
Der Schmerz verebbte, langsam. Löste sich auf wie der Frühnebel über dem Fluss. Aus dem brennenden Gleißen schälte sich wieder die Zelle heraus. Hanna, blass in seinen Armen, lächelte, ein winziges, süßes Lächeln, leicht wie eine Feder. Er lehnte seine Stirn gegen ihre, küsste sie ganz sanft auf die kühlen Lippen.
Dann hob er den Kopf und blickte in das Gesicht des Königs, der immer noch hinter dem Gitter stand, den Mund verzerrt vor Abscheu und Ekel, in den Augen eine solch brennende Verachtung, dass sie Mattim versengten.
»Du widerlicher, abscheulicher Parasit«, stieß Farank hervor. »Ein Wurm der Nacht, der auf der Erde kriecht und sich windet, wenn ein Sonnenstrahl ihn berührt. Ich wollte gar nicht herkommen. Die Königin hat mich überredet, sie meinte, ich sollte dich noch ein letztes Mal sehen. Ein letztes Mal! Als wenn ich so etwas wie dich je zuvor gesehen hätte! Als wenn jemals zuvor so etwas wie du meine Stadt besudelt hätte!«
»Vater …«
»Ich bin nicht dein Vater! Du bist eine Kreatur, die wir in die Erde stampfen werden wie eine giftige Schlange. Wir werden deine Asche in den Fluss streuen, wenn wir mit dir fertig sind. Und niemand – niemand! – wird je wieder den Namen aussprechen, den du mit ins Dunkel genommen hast.«
Mattim zuckte zurück vor dem glühenden Hass, der ihm entgegenschlug.
»Ihr wollt mich töten?« Die Welt schien sich um ihn zu drehen. Er hielt Hanna, die sich immer noch nicht rührte, fest in seinen Armen. Ein Blick auf ihr friedliches Gesicht gab ihm die Kraft, seinem Vater die Stirn zu bieten. »Aber ich habe euch gesagt, wo ihr die Pforte findet. Akink wird nicht an die Schatten fallen. Ich habe euch alles gesagt. Akink ist gerettet!«
König Farank musterte ihn ungerührt. »Verräter entgehen nie ihrer Strafe«, sagte er. »Ganz gleich, was sie sich erhoffen.«
»Ich bin kein Verräter!«, heulte Mattim auf. Er wollte sich gegen die Stäbe werfen, seinen Vater am Kragen packen und schütteln … Aber er hielt Hanna immer noch im Arm und blieb deshalb reglos sitzen. Ihre Lider flatterten, sie kuschelte sich enger in seine Umarmung. Als wären sie irgendwo in Budapest, vielleicht in seinem Zimmer, in Sicherheit, dort, wo niemand sah, wie sie sich küssten. »Ich war nie auf der anderen Seite! Ich habe immer zu euch gehört, immer! Ich habe dir gesagt, Vater, ich bekomme ihre Geheimnisse heraus. Nun weiß ich endlich alles. Alles! Als ich dich bat, die Pforte zu schließen, wusste ich noch nicht genug über die Übergänge. Ich bedaure sehr, dass ich dich in Gefahr gebracht habe! Frag mich. Frag mich, was immer du willst. Ich bin dein Sohn. Ich bin immer noch Mattim.«
»Mattim«, flüsterte Hanna und schlug die Augen auf.
Der König schüttelte den Kopf. »Ich habe keinen Sohn dieses Namens. Ich habe keine Kinder mehr. Das Licht wird verlöschen, mit mir und meiner Gefährtin. Der Sohn, den ich liebte, hätte das Licht bewahrt wie seinen Augapfel. Er hätte nie zugelassen, dass die Dunkelheit über uns kommt. Er hätte gekämpft bis zum letzten Atemzug und wäre lieber untergegangen, als auf die Seite des Feindes überzulaufen. Jetzt gibt es nichts mehr, was die Schatten aufhalten könnte. Aber wir werden ihnen entgegentreten, bis niemand mehr da ist. Bis sie den letzten Mann, die letzte Frau, das letzte Kind verschlungen haben. Doch bis dahin,
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