Mahlstrom
gerade einen hübschen fetten Auftrag erledigt«, erwiderte er. »Windräder repariert. Und jetzt überlege ich, was ich als Nächstes mache.«
Sie setzte sich neben ihn und nahm sich ein Pflaster aus dem Spender auf dem Tisch. »Erzähl mir mehr davon.«
Sie war verdammt rätselhaft, das war sie.
Oder vielleicht auch nur altmodisch. Sie hatte ihm nicht sofort ein Angebot gemacht, was ärgerlich war, weil dadurch Zeit verschwendet wurde. Quammen hätte ihr sofort ein Angebot gemacht, doch wenn sein Plug-in nicht kaputt war, dann war sie anfangs nicht empfänglich gewesen. Und das bedeutete wahrscheinlich, dass er sich ein wenig ins Zeug legen musste. Er konnte sich nicht erinnern, wann er sich das letzte Mal ausgerechnet auf seinen Instinkt hatte verlassen müssen, um herauszufinden, ob eine Frau interessiert war oder nicht. Und diese Lenie machte ihm die Sache nicht unbedingt leicht. Ein paar Mal hatte er sie hier oder dort mit der Hand berührt, und sie war buchstäblich zurückgezuckt. Doch dann hatte sie mit dem Finger über seinen Arm gestrichen oder seinen Handrücken angetippt und so getan, als sei sie feucht wie ein Schleimaal.
Wenn sie nicht an ihm interessiert war, warum verschwendete sie dann seine Zeit? Ging es ihr tatsächlich nur um die Konversation?
Nach dem dritten Pflaster schien das keine große Rolle mehr zu spielen.
»Weißt du, was ich bin?«, fragte Quammen. Der stete Fluss exogener Transmitter hatte ihn plötzlich redselig gemacht. »Ich bin ein Kreuzritter, das ist es, was ich bin! Es ist meine persönliche Mission, die Welt vor den Quebecern zu retten!«
Sie blinzelte träge mit ihren fremdartigen Augen. »Zu spät«, sagte sie.
»Weißt du, vor fünfzig Jahren haben die Leute weniger als ein Drittel ihres verfügbaren Einkommens für Energie ausgegeben. Weniger als ein Drittel!«
»Das wusste ich nicht«, erwiderte Lenie.
»Und die Welt steht vor dem Untergang. Sie geht bereits in diesem Moment den Bach runter.«
»Das allerdings habe ich gewusst«, sagte Lenie.
»Weißt du, wann? Weißt du, wann der Untergang angefangen hat?«
»Letzten August.«
»Zweitausendfünfunddreißig. Der Beginn des adaptiven Zusammenbruchs. Als Schadensbegrenzung erstmals mehr Anteil am globalen Bruttosozialprodukt hatte als die Produktion neuer Güter.«
»Schadensbegrenzung?«
»Schadensbegrenzung.« Er schlug auf den Tisch, um seine Worte zu bekräftigen. »Mein ganzes Leben besteht aus Schadensbegrenzung. Ich repariere die Dinge, die die Entropie kaputt gemacht hat. Alles fällt auseinander, Lenie, mein Mädchen. Die Talfahrt lässt sich nur aufhalten, indem wir Energie aufwenden. Auf diese Weise haben wir uns vom Urschleim zu menschlichen Schleimern weiterentwickelt. Ohne die Sonne könnte die ganze Evolution einpacken.«
»Aber es gibt durchaus Orte, wo die Evolution die Sonne nicht gebraucht hat …«
»Ja, ja, aber du verstehst, was ich meine. Je komplizierter ein System, desto störanfälliger wird es. Das ganze Ökogewäsch darüber, dass Diversität die Stabilität fördert , ist alles Unfug. Denk doch bloß mal an ein Korallenriff oder den tropischen Regenwald, das waren unglaublich energiehungrige Systeme. Sie enthielten so viele verschiedene Arten und Energiekreisläufe, die Ressourcen verbrauchten, dass da kaum ein Erg übrig blieb. Und dann fahr mal mit ein oder zwei Bulldozern durch den Regenwald und sag mir, wie stabil das System letzten Endes wirklich ist.«
»Ups«, sagte Lenie. »Zu spät.«
Quammen hörte sie kaum. »Also, was wir hier haben, ist ein System, das so kompliziert ist, dass der tropische Regenwald dagegen wie eine verdammte Monokultur aussieht. Für uns Sterbliche wird das alles viel zu schwer überschaubar, also erschaffen wir das Internet und die Netzwerke und KIs, die die ganze Sache für uns im Auge behalten sollen. Nur dass die sich ebenfalls in riesige Krebsgeschwüre der Komplexität verwandeln, also wird das Problem dadurch nur noch schlimmer. Und inzwischen bricht die ganze grundlegende Infrastruktur zusammen. Das Wetter und die Biosphäre sind hinüber. Also brauchen wir nicht nur Unmengen von Energie, um den riesigen, wackligen Kreisel daran zu hindern, umzustürzen, sondern dieselben Faktoren zerstören auch immer wieder die Systeme, die wir geschaffen haben, um all diese zusätzliche Energie zu erzeugen. Verstehst du, was ich damit sagen will? Weißt du, was die Apokalypse ist? Sie ist eine positive Rückkopplungsschleife!«
»Und warum gibst
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