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Mahlstrom

Titel: Mahlstrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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krabbelten ameisengleich unter einem düsteren Himmel umher. Sie könnte in diesem Augenblick dort unten sein. Jeden Moment könnte eine dieser Ameisen vor meinen Augen von einer Mole springen, und dann wäre alles vorbei.
    Wahrscheinlich würde ich es nicht einmal bemerken. Die ganzen Truppen und Mechfliegen und die schwere Ausrüstung würden hier ihre Kreise ziehen, bis der Sturm heran ist, und sie befindet sich unter 150 Metern schlammigem, kaltem Wasser in Sicherheit.
    »Sind Sie sicher, dass sie es versuchen wird?«, fragte Burton.
    Lubin tippte auf eine Konsole in der Tischoberfläche. Die Karte zoomte zurück und zeigte nun Falschfarbdarstellungen der Gewitterfront im Luftraum über ihnen.
    »Obwohl sie weiß, dass wir ihr hier den Weg versperren?«, fuhr Burton fort.
    Aber eigentlich versperrten sie ihr natürlich nicht den Weg. Sie hingen immer noch in der Luft und warteten darauf, dass ihr Ziel geortet wurde. Es gab einfach zu viel Verkehr – ein ganzer Großstadtdschungel voller Rohre und Kabel und Hochfrequenzsignale. Eine einzelne, bestimmte Signatur ließe sich vor diesem Hintergrund nur schwer ausmachen. Allerdings gab es ein paar Orte, die sie ausschließen konnten. Clarke wäre sicher nicht so dumm, die Schlammflächen zu durchqueren, die zurückgeblieben waren, nachdem der Wasserstand des Sees gesunken war und die an manchen Stellen bis zu einem Klick breit waren. Sie würde in den Industriegebieten bleiben und sich im Innern von Gebäuden aufhalten, wo ihr Signal vor dem Hintergrund verschwand und ihr Fortkommen unbemerkt blieb. Zumindest wussten sie, dass sich Clarke in Chicago aufhielt. Eine patrouillierende Mechfliege hatte erst an diesem Morgen eine elektromagnetische Strahlenquelle geortet, die charakteristisch für einen Rifter war, hatte sie jedoch gleich wieder verloren. Eine weitere hatte die Spur durch das Fenster eines Holiday Inns wieder aufgenommen. Als Verstärkung eintraf, war die Spur natürlich schon wieder kalt gewesen, doch die Aufzeichnungen der Kameras in der Lobby hatten wenig Zweifel gelassen. Lenie Clarke befand sich in Chicago. Lubin hatte sämtliche Reserven von Cleveland bis nach Detroit abgezogen und sie in der Nähe der Sichtungsorte pos tiert.
    »Sie scheinen sich verdammt sicher zu sein, was diese Quecksilber-Geschichte angeht«, stellte Burton fest. »Haben Sie das eigentlich mit der Chefetage abgeklärt?«
    »Ich will, dass die Delfine genau dort abgesetzt werden«, sagte Lubin und deutete auf eine Stelle auf der Tischplatte. »Kümmern Sie sich darum.«
    »In Ordnung.« Burton ging wieder zu seiner Konsole hinüber. Lubin blickte einen Moment hoch und betrachtete seinen Rücken.
    Nur Geduld, Burton. Sie werden schon noch Ihre Chance erhalten.
    Wenn ich versage …
     
    Eigentlich müsste es heißen: Wenn er erneut versagte.
    Er konnte es immer noch nicht fassen. All die Bluttests, die er in Auftrag gegeben hatte, all die Krankheitserregerscans, und er war nie auf den Gedanken gekommen, sich auf Schwermetalle untersuchen zu lassen. Wochenlang hatte er Tiere aus dem Ozean roh gegessen, und es war ihm nicht eingefallen.
    Idiot , dachte er wohl schon zum tausendsten Mal.
    Den Ärzten der NB war es aufgefallen, als sie ihn von ßehemoth gereinigt hatten. Sie hatten ihm versichert, dass es nicht seine Schuld gewesen war. Die Sache mit Schwermetallen war eben, dass sie das Gehirn beeinträchtigten. Das Quecksilber hatte seine geistigen Fähigkeiten herabgesetzt, hieß es. Alles in allem zeigte er bessere Leistungen, als zu erwarten gewesen wäre.
    Aber vielleicht hätte Burton ohne ihn bessere Leistungen zeigen können. Vielleicht wusste er Bescheid.
    Lubin wusste, dass Burton ihn von Anfang an nicht besonders gemocht hatte. Er war sich nicht ganz sicher, woran das lag. Wenn man einem Mann Ruanda11 in die Zellen spritzte, musste man sich wohl nicht wundern, wenn das typische Alpha-Männchen-Konkurrenzgehabe zunahm. Gleichgültigkeit wurde allerdings noch höher geschätzt als Rücksichtslosigkeit, und neben der Fähigkeit, die notwendigen Schritte unternehmen zu können – wie es so schön hieß –, war bei ihnen beiden auch die Selbstbeherrschung optimiert worden.
    Lubin schob die Gedanken über seinen Herausforderer beiseite und richtete seine Aufmerksamkeit stattdessen auf die Herausforderung selbst. Zumindest verringerte Chicago ein Stück weit die möglichen Optionen. Auch wenn es nicht reichte, um Clarke schnappen zu können, bevor sie den entscheidenden Schritt

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