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Mahlstrom

Titel: Mahlstrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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großer Teil der Westküste stand nun offiziell unter Quarantäne. Und sogar die offizielle Zahl der Todesopfer hatte bereits im vierstelligen Bereich gele gen.
    Die Kabelverbindung führte zu einer neuen Konsole, die in dem engen Raum rechts von ihm stand. Es war ein eigenständiges Gerät, das vollkommen unabhängig und mit keiner Anschlussbuchse der BRIKS verbunden war. In seinem Innern warteten riesige von Mauern umgrenzte Räume – Räume, die den kompletten Inhalt einer Verbindungsstelle aufnehmen konnten, und Mauern, die von einem Moment auf den nächsten ihre Architektur ändern konnten. Es handelte sich um einen Habitatreplikator. Ein Terrarium.
    Das Icon begann zu piepsen. Er schaltete den Ton aus.
    Verstehst du einen Wink mit dem Zaunpfahl nicht, Alice?
    Sie hatte ihn ziemlich in die Scheiße geritten. Das Problem – und die Tatsache, dass es ein Problem war, bewies nur noch, in was für ein Chaos sie ihn gestürzt hatte – war, dass sie es selbst offensichtlich anders sah. Sie hielt sich für so etwas wie eine Befreierin . Sie hatte aus einer Art verrückten Besorgnis um sein Wohlergehen gehandelt. Hatte seine Interessen über die der Allgemeinheit gestellt.
    Desjardins fuhr das Terrarium hoch. Kurzzeitig erschienen Start-Diagnosen auf dem Schirm. Dieses Mal würde er seine Inlays nicht benutzen können. Schließlich waren auch sie ein Teil des Netzwerks der BRIKS. Er würde sich mit dem Bildschirm und den Touchpads begnügen müssen.
    Das Wohl der Allgemeinheit. Na, sicher.
    Für den menschlichen Verstand war das schon immer ein gesichtsloses, abstraktes Ding gewesen. Es war einfacher, Mitgefühl für den einen Menschen zu empfinden, den man kannte, als für die leidenden Millionen überall auf der Welt, die einem unbekannt waren. Als das Jahrhundertbeben die Westküste getroffen hatte, hatte Desjardins die Threads gesehen und an seinen Filtern gedreht und insgeheim erleichtert aufgeatmet, dass er nicht unter all den Trümmern begraben lag. Doch wenn Mandelbrot stürbe, wusste er, dass es ihm das Herz brechen würde.
    Es war diese unlogische Tatsache, die das Schuldgefühl überhaupt erst nötig gemacht hatte. Und die ihn davon abhielt, Alice Jovellanos anzuzeigen. Er war ganz sicher nicht bereit, ein freundliches Gespräch mit ihr zu führen, aber er konnte sich auch nicht dazu durchringen, sie zu verraten.
    Außerdem, wenn er diese ganze Anemonen-Sache tatsächlich durchschaut hatte, dann war es Alice gewesen, die ihn darauf gebracht hatte.
    Er drückte einen Knopf an der Konsole. Ein Fenster öffnete sich. Auf der anderen Seite toste der Mahlstrom.
    Wie dem auch sei, er würde es im Laufe der nächsten Stunde herausfinden.
     
    Es war überall.
    Selbst dort, wo es nicht war. Wo es nicht selbst redete, war es Thema der Gespräche. Wo nicht über es geredet wurde, wurden seine Samen verstreut. Geschichten und Mythen über Lenie Clarke, die inaktiv blieben, bis irgendein ahnungsloser Überträger seine Mailbox öffnete und damit eine komplette neue Generation in die Welt setzte.
    »Sie ist überall. Deshalb gelingt es ihnen auch nicht, sie zu fangen.«
    »Du gibst doch bloß weißes Rauschen von dir. Wie kann sie überall sein?«
    »Doppelgänger. Klone. Wer sagt, dass es nur eine Lenie Clarke gibt?«
    »Weißt du, sie kann sich von einem Ort zum anderen beamen. Mittels Quantenteleportation. Das liegt an den Nanos, die sich in ihrem Blut befinden.«
    »Das ist unmöglich.«
    »Erinnerst du dich noch an die Flüchtlingszone?«
    »Was ist damit?«
    »Lenie hat das Ganze in Gang gesetzt, du Haploide. Sie ist einfach an den Strand geschlendert, und jeder, den sie angefasst hat, hat sich vom Einfluss der Drogen befreit und ist erwacht. Einfach so. Also, meiner Meinung nach können da nur die Nanos dahinterstecken.«
    »Das hat nichts mit Nanos zu tun. Das war nur diese, du weißt schon, diese Feuerteufel-Mikrobe aus NoKal, die dafür sorgt, dass einem die Gelenke auseinanderfallen. Sie ist in die Cycler gelangt und hat irgendein Molekül im Valium lahmgelegt. Willst du wissen, was Lenie in Gang gesetzt hat? Sie hat diese ganze verdammte Seuche ausgelöst …«
    Es war klüger geworden. Subtiler. Hunderte Gesetzesbrecher hielten inzwischen nach ihm Ausschau und durchsuchten die zivilen Kanäle nach jener unerklärlichen Klarheit, die Desjardins am Tag zuvor auf es aufmerksam gemacht hatte. Soweit sie feststellen konnten, hatte sich dieser Fehler nicht wiederholt.
    Und als Desjardins schließlich sein Ziel

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