Maigret - 26 - Maigret regt sich auf
angesprochen, und er hat sich gefreut, sein Kauderwelsch zu hören.
Ich habe ihm eine Geschichte vorgeschwindelt. Sie sei in dem Zimmer. Sie wolle mich sitzenlassen. Kurz, er war bereit, die paar Minuten Wache zu halten, die ich brauchte, um unten zu telefonieren.«
»Bist du sicher, daß der Bursche immer noch da ist?«
Mimile zwinkerte ihm verschmitzt zu, zog eine Zange aus der Tasche, mit der er die Spitze des Schlüssels packte, der von innen steckte, aber etwas herausragte.
Er bedeutete Maigret, lautlos näher zu kommen, und mit unglaublichem Feingefühl drehte er den Schlüssel im Schloß und öffnete die Tür.
Der Kommissar beugte sich vor und sah in dem Zimmer, das dem nebenan aufs Haar glich und dessen Fenster offenstand, den angekleideten jungen Mann schräg auf dem Bett liegen.
Er schlief, daran war nicht zu zweifeln. Er schlief, wie man in diesem Alter noch schläft, mit entspannten Zügen, den Mund zu einem kindlichen Schmollen halb geöffnet. Er hatte nicht einmal seine Schuhe ausgezogen, und ein Fuß hing am Bett herab.
Mit der gleichen Vorsicht schloß Mimile die Tür wieder zu.
»Nun will ich Ihnen erzählen, wie alles gelaufen ist. Es war eine glänzende Idee von Ihnen, mein Fahrrad mitzunehmen. Und noch glänzender, es in der Nähe des Bahnübergangs zu verstecken. Sie erinnern sich, wie er losgerannt ist. Ein richtiger Hase. Er hat Haken geschlagen im Park und ist durchs Gebüsch geschlüpft, um mich abzuschütteln.
Dann haben wir nacheinander über eine Hecke klettern müssen; da habe ich ihn aus den Augen verloren. Nur dem Geräusch nach wußte ich, daß er sich einem Haus zugewendet hatte. Er lief nicht genau auf das Haus zu, sondern auf eine Art Schuppen, aus dem ich ihn sein Fahrrad holen sah.«
»Es war die Villa seiner Großmutter«, erklärte Maigret. »Das Rad muß ein Damenfahrrad gewesen sein, das seiner Kusine Monita gehörte.«
»Ja, ein Damenrad. Er stieg auf, aber auf diesen Alleen konnte er nicht sehr schnell fahren, und so blieb ich hinter ihm. Ich wagte ihn noch nicht anzusprechen, da ich nicht wußte, was bei Ihnen geschah.«
»Malik hat auf dich schießen wollen.«
»Das habe ich geahnt. Komisch, aber ich habe das im Gefühl gehabt, so daß ich in einem bestimmten Augenblick für den Bruchteil einer Sekunde stehengeblieben bin, als würde ich den Schuß erwarten. Kurz, wir sind wieder ins Dunkel der Nacht getaucht, und jetzt schob er sein Rad. Er hat es über eine weitere Hecke gehoben. Wir befanden uns auf einem schmalen Weg, der zur Seine hinabführte, und auch dort konnte er nicht schnell fahren. Auf dem Leinpfad war es dann anders, und ich bin ein gutes Stück zurückgefallen, aber als es den Hang zur Station hinaufging, habe ich ihn wieder eingeholt.
Er muß zuversichtlich gewesen sein, denn er ahnte ja nicht, daß ich meinen Drahtesel nicht weit davon versteckt hatte.
Der arme Junge! Er strampelte tüchtig, mit aller Kraft. Er war sicher, mir zu entkommen, was?
Natürlich. Ich schnappe meine Karre, springe auf und ziehe los, und als er am wenigsten damit rechnete, da rollte ich neben ihm, als sei nichts gewesen.
›Hab keine Angst, Kleiner‹, habe ich zu ihm gesagt.
Ich wollte ihn beruhigen. Er war wie verrückt. Er trampelte immer wilder und kam ganz außer Atem.
›Ich sage dir doch, du brauchst keine Angst zu haben … Kennst du Kommissar Maigret nicht? Er will dir nichts Böses, im Gegenteil.‹
Von Zeit zu Zeit drehte er sich nach mir um und rief mir wütend zu:
›Lassen Sie mich!‹
Dann mit tränenerstickter Stimme.
›Ich sage trotzdem nichts!‹
Ich hatte Mitleid mit ihm, das kann ich Ihnen sagen. Das war kein einfacher Job, den Sie mir da aufgehalst haben. Ganz zu schweigen von dem Sturz, irgendwo auf einer Nationalstraße ist er plötzlich ins Schleudern geraten und flog der Länge nach auf den Asphalt, daß ich buchstäblich seinen Kopf aufschlagen hörte.
Ich steige von meinem Rad. Ich will ihm beim Aufstehen helfen.
Da saß er schon wieder im Sattel, verrückter und wütender denn je.
›Bleib stehen, Kleiner. Ich wette, du hast dir weh getan. Du riskierst nichts, wenn wir einen Augenblick miteinander reden, oder? Ich bin doch nicht dein Feind.‹
Einen Moment fragte ich mich, was er vorhatte, denn er hatte sich über seinen Lenker gebeugt, und ich konnte nicht sehen, was er mit der einen Hand machte. Dazu muß ich erwähnen, daß der Mond aufgegangen war, so daß es ziemlich hell war.
Ich fahre näher an ihn heran. Ich war
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