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Maigret - 26 - Maigret regt sich auf

Maigret - 26 - Maigret regt sich auf

Titel: Maigret - 26 - Maigret regt sich auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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keinen Meter von ihm entfernt, als er ausholte. Ich bücke mich. Zu meinem Glück! Denn der kleine Halunke wollte mir doch tatsächlich einen Schraubenschlüssel an den Kopf werfen, den er aus seiner Werkzeugtasche geangelt hatte. Er ist einen Daumenbreit an meiner Stirn vorbeigeflogen.
    Von da an hatte er noch mehr Angst. Er nahm an, ich sei ihm böse und würde mich rächen. Und ich redete auf ihn ein. Es wäre lustig, wiederholen zu können, was ich ihm in dieser Nacht alles erzählt habe.
    ›Dir ist doch klar, daß du mich nicht abschütteln kannst, nicht wahr? Außerdem habe ich meine Anweisungen. Fahr, wohin du willst, du wirst mich immer hinter dir sehen … Muß dem Kommissar Bericht erstatten. Sobald er da ist, geht mich alles nichts mehr an.‹
    An einer Kreuzung muß er sich in der Straße geirrt haben, denn wir haben uns von Paris wieder entfernt, und nachdem wir wer weiß wie viele Dörfer durchquert hatten, die alle weiß im Mondlicht lagen, sind wir auf die Straße nach Orléans gestoßen. Stellen Sie sich die Strecke vor, die wir seit der Landstraße von Fontainebleau zurückgelegt hatten!
    Schließlich sah er sich gezwungen, langsamer zu fahren, doch er vermied es, mit mir zu sprechen oder sich an meiner Seite zu halten.
    Dann wurde es Tag, und wir befanden uns am Stadtrand von Paris. Ich bin wieder ins Schwitzen geraten, weil er auf den Gedanken verfiel, in alle Seitenstraßen einzubiegen, die sich ihm boten, und mich dadurch abzuhängen.
    Er mußte halb tot vor Müdigkeit sein. Ich sah, daß er blaß war und rote Augenränder hatte. Er hielt sich nur noch aus Gewohnheit auf dem Sattel.
    ›Es wäre besser, sich irgendwo schlafen zu legen, mein Kleiner. Sonst holst du dir am Ende was.‹
    Und dann hat er endlich mit mir gesprochen. Er konnte nicht mehr anders. Ja, ich bin überzeugt, daß er derart übermüdet war, daß er nicht mehr wußte, was er tat. Sie haben sicher schon einmal einen Rennfahrer gesehen, den man hinter der Ziellinie stützen muß, so kaputt ist er, und der verstört in die Kamera blickt.
    ›Ich habe kein Geld‹, hat er zu mir gesagt.
    ›Das macht nichts. Ich habe welches. Wir gehen, wohin du willst, aber du mußt dich ausruhen.‹
    Wir befanden uns hier in diesem Stadtteil. Ich dachte nicht, daß er so schnell gehorchen würde. Er hat das Wort ›Hotel‹ über der Tür gelesen und gesehen, daß es offen war. Es kamen gerade Arbeiter heraus. Er ist vom Rad gestiegen und konnte kaum gehen, so erledigt war er. Wenn das Bistro aufgehabt hätte, hätte ich ihm wahrscheinlich ein Gläschen spendiert; ich bin mir nicht sicher, ob er es angenommen hätte.
    Er ist stolz, müssen Sie wissen. Ein eigenartiger Bursche. Ich weiß nicht, was in seinem Kopf vorgeht, aber er hält an seiner Idee fest; mit dem sind Sie noch nicht fertig.
    Wir haben die beiden Räder unter die Treppe geschoben. Wenn sie nicht geklaut worden sind, müßten sie da noch stehen.
    Er ist vor mir hinaufgegangen. Im ersten Stock wußte er nicht, was er machen sollte, denn es war niemand zu sehen.
    ›Herr Wirt!‹ habe ich gerufen.
    Es war kein Wirt, sondern eine Wirtin. Kräftiger als ein Mann und nicht gerade umgänglich.
    ›Was wollen Sie?‹
    Und sie schaute uns an, als würde sie an unanständige Dinge denken.
    ›Wir brauchen zwei Zimmer. Möglichst nebeneinander.‹
    Am Ende hat sie uns zwei Schlüssel gegeben, Nummer 21 und 22. Das ist alles, Chef. Und wenn es Ihnen recht ist, einen Moment hierzubleiben, gehe ich jetzt ein oder zwei Bier trinken und vielleicht etwas essen. Seit dem frühen Morgen wittere ich Küchendüfte …«
     
    »Mach mir die Tür auf«, sagte Maigret, als Mimile, der nach Marc roch, die Treppe wieder heraufkam.
    »Sie wollen ihn wecken?« protestierte der andere, der den jungen Mann gleichsam als seinen Schützling zu betrachten begann. »Sie täten besser daran, ihn mit seinem Kummer pennen zu lassen.«
    Maigret winkte beruhigend ab und betrat lautlos das Zimmer, wo er auf Zehenspitzen zum Mansardenfenster ging und sich auf die Brüstung lehnte. Die Öfen des Gaswerks wurden befeuert, und die Flammen züngelten ganz gelb in der Sonne auf; man erriet den Schweiß auf den Oberkörpern der halbnackten Männer, die sich mit ihren braunen Armen die Stirn trockenwischten.
    Der Kommissar mußte lange warten; er hatte viel Zeit, nachzudenken. Hin und wieder drehte er sich zu seinem jungen Schützling um, der allmählich aus dem ruhigen Tiefschlaf auftauchte und in den leichteren Schlaf

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