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Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Titel: Maigret - 29 - Maigret und sein Toter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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klopfte seine Pfeife aus und stopfte sich eine neue.
    »Glaubst du wirklich, dass er Kneipenwirt war?«
    »Vielleicht habe ich ein ganz klein wenig übertrieben, als ich das als sicher darstellte, aber da ich es nun einmal gesagt habe, wünsche ich, dass es so ist. Das ist auch ganz logisch, weißt du.«
    »Was ist logisch?«
    »Alles, was ich erzählt habe. Am Anfang dachte ich nicht, dass ich so viel darüber sagen würde. Ab und zu habe ich improvisiert. Dann habe ich gemerkt, dass alles zusammenpasste, und hab einfach weitergeredet.«
    »Und wenn er Schuhmacher oder Schneider gewesen ist?«
    »Dr. Paul hätte es mir gesagt, und Moers auch.«
    »Woher hätten sie das wissen sollen?«
    »Der Doktor hätte es an den Händen gemerkt, an den Schwielen und Deformierungen, und Moers an dem in den Kleidern gefundenen Staub.«
    »Und wenn er etwas ganz anderes gewesen ist als Kneipenwirt?«
    »Dann kann man auch nichts machen. Gib mir doch bitte mein Buch.«
    Auch das war eine Gewohnheit, dass er sich, wenn er krank war, in einen Roman von Alexandre Dumas vertiefte. Er besaß dessen gesammelte Werke in einer alten, sehr verbreiteten Ausgabe, die romantische Stiche enthielt und deren Seiten schon ganz vergilbt waren, und allein schon der Geruch, der diesen Büchern entströmte, rief ihm sämtliche kleinen Unpässlichkeiten seines Lebens ins Gedächtnis zurück.
    Man hörte das Knistern des Ofens und das Klappern der Stricknadeln. Wenn er den Blick hob, sah er das Messingpendel der Standuhr aus dunklem Eichenholz gleichmäßig hin und her schwingen.
    »Du solltest noch ein Aspirin nehmen.«
    »Wenn du meinst.«
    »Warum glaubst du, dass er sich an jemand anderen gewandt hat?«
    Wie gern hätte Madame Maigret ihm geholfen. Normalerweise wagte sie überhaupt nicht, ihn nach seiner Arbeit zu fragen – sie wagte ihn ja kaum zu fragen, wann er nach Hause und zum Essen zu kommen gedachte –, aber wenn er krank war und sie ihn arbeiten sah, war sie doch unwillkürlich ein wenig beunruhigt. Im Grunde, in ihrem tiefsten Seelengrunde, schien sie zu denken, dass er das alles nicht wirklich ernst nahm.
    Bei der Kriminalpolizei war er wahrscheinlich anders. Wahrscheinlich handelte und sprach er dort wie ein richtiger Kommissar.
    Die Unterhaltung mit Richter Coméliau – ausgerechnet mit ihm! – machte ihr zu schaffen, und man sah ihr an, dass sie unaufhörlich daran dachte, während sie beim Maschenzählen die Lippen bewegte.
    »Sag mal, Maigret …«
    Er sah unwillig auf, weil er ganz in seine Lektüre vertieft war.
    »Da ist etwas, was ich nicht verstehe. Als du von der Gare de Lyon gesprochen hast, hast du gesagt, er hätte nicht gewagt, nach Hause zu gehen, weil ihm der Mann dorthin gefolgt wäre.«
    »Ja, das habe ich wohl gesagt.«
    »Gestern hast du aber zu mir gesagt, er habe sich bestimmt umgezogen.«
    »Ja. Na und?«
    »Und dann hast du vorhin mit dem Richter über das Stockfischpüree gesprochen, als ob er das in seinem eigenen Restaurant gegessen hätte. Also ist er nach Hause gegangen. Also hatte er keine Angst mehr, man könnte ihn dorthin verfolgen.«
    Hatte Maigret wirklich vorher schon daran gedacht? Oder aber beantwortete er jetzt ihre Frage aus dem Stegreif?
    »Das passt sehr gut zusammen.«
    »Aha!«
    »Am Bahnhof war er Dienstagabend. Da hatte er mich noch nicht angerufen. Er hoffte, seinem Verfolger entkommen zu können.«
    »Und am nächsten Morgen? Glaubst du, dass er da nicht mehr verfolgt wurde?«
    »Vielleicht doch. Es ist sogar anzunehmen. Nur habe ich auch gesagt, dass er es sich gegen fünf Uhr anders überlegt hat. Vergiss nicht, dass er ein Telefongespräch geführt und einen Briefumschlag verlangt hat.«
    »Ja, das stimmt.«
    Obwohl sie nicht überzeugt war, fügte sie seufzend hinzu:
    »Bestimmt hast du recht.«
    Sie schwiegen. Von Zeit zu Zeit wurde eine Seite umgeblättert, und der Strumpf in Madame Maigrets Schoß wurde fast unmerklich länger.
    Sie öffnete den Mund, schloss ihn aber gleich wieder. Ohne aufzublicken, sagte er:
    »Sprich schon!«
    »Es ist nichts. Es hat bestimmt nichts zu bedeuten. Ich dachte nur daran, dass er sich getäuscht hat, weil er trotzdem ermordet worden ist …«
    »In was getäuscht?«
    »Indem er nach Hause ging. Entschuldige. Lies nur weiter …«
    Er las jedoch nicht, jedenfalls nicht aufmerksam, denn gleich darauf hob er wieder den Kopf.
    »Du vergisst die Panne«, sagte er.
    Und es schien ihm, als öffnete sich seinem Denken ein neuer Weg; als entstünde ein

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