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Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Titel: Maigret - 29 - Maigret und sein Toter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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an den Manschetten ab. Ich spreche von kleinen Kneipen und nicht von den Bars im amerikanischen Stil, bei der Oper oder auf den Champs-Elysées. Ein Wirt, der andauernd die Hände ins Wasser und ins Eis tauchen muss, hat immer die Hemdsärmel hochgekrempelt. Moers hat mir nun bestätigt, dass das Hemd zwar am Kragen stark abgenutzt, ja fast verschlissen ist, an den Manschetten aber wie neu aussieht.«
    Zu Madame Maigrets Verwirrung sprach er jetzt im Brustton tiefster Überzeugung.
    »Und dann nehmen Sie noch das Stockfischpüree à la provençale hinzu …«
    »Gehört das auch zu den speziellen Vorlieben von Kneipenwirten?«
    »Nein, Herr Richter. Nur gibt es in Paris eine Unmenge kleiner Lokale, wo nur wenige Gäste etwas zu essen bestellen. Man stellt es ihnen auf den Tisch, einfach so, ohne Tischtuch. Meistens kocht die Wirtin selbst, und es gibt nur das Tagesgericht. In diesen Lokalen ist oft stundenlang wenig los, und der Wirt hat einen Teil des Nachmittags frei. Deshalb durchsuchen seit heute Morgen zwei Inspektoren sämtliche Viertel von Paris. Angefangen haben sie beim Hôtel de Ville und an der Bastille, denn gerade dort hat sich der Mann immer aufgehalten. Die Pariser hängen unglaublich an ihren Vierteln, fast sieht es so aus, als fühlten sie sich nur dort in Sicherheit.«
    »Hoffen Sie auf baldige Aufklärung?«
    »Früher oder später, ja. Habe ich Ihnen alles gesagt? … Ach, ich muss Ihnen ja noch von dem Lackfleck erzählen.«
    »Von was für einem Lackfleck?«
    »Unten am Hosenbein. Es war wieder Moers, der den Fleck entdeckt hat, obwohl er kaum zu sehen ist. Er behauptet, dass es frischer Lack ist, und hat noch gesagt, dass damit vor drei oder vier Tagen ein Möbelstück angestrichen worden ist. Ich habe daraufhin einen meiner Leute zu den Bahnhöfen geschickt, zunächst zur Gare de Lyon.«
    »Warum zur Gare de Lyon?«
    »Weil der Bahnhof sozusagen zum Bastilleviertel gehört.«
    »Und warum überhaupt zum Bahnhof?«
    Maigret seufzte. Dass er alles so lang und breit erklären musste! Wie konnte ein Untersuchungsrichter nur so wenig Sinn für die elementarste Wirklichkeit haben! Wie konnten Leute, die nie eine Kneipe oder ein Wettbüro betreten hatten, die nie auf der Rennbahn gewesen waren und nicht wussten, was es heißt, in der ›Limonadenbranche‹ tätig zu sein, behaupten, in der Seele eines Verbrechers lesen zu können?
    »Sie haben ja sicher meinen Bericht vor sich auf dem Schreibtisch.«
    »Ich habe ihn schon mehrmals durchgelesen.«
    »Als ich am Mittwoch um elf Uhr morgens den ersten Anruf erhielt, war schon lange jemand hinter dem Mann her. Mindestens seit dem Vortag. Er hatte nicht gleich daran gedacht, die Polizei anzurufen. Er hoffte, allein da rauszukommen. Trotzdem hatte er große Angst. Er wusste, dass man ihm nach dem Leben trachtete. Er musste also die einsamen Gegenden meiden. Die Menge war sein einziger Schutz. Er wagte auch nicht mehr, nach Hause zu gehen, weil man ihm dorthin nachgegangen wäre und ihn umgebracht hätte. Sogar in Paris gibt es nur wenige Lokale, die die ganze Nacht geöffnet sind. Außer den Kneipen auf dem Montmartre gibt es nur noch die Bahnhöfe, wo die ganze Nacht Licht brennt und wo in den Wartesälen immer Betrieb herrscht. Ja, und die Bänke des Wartesaals dritter Klasse in der Gare de Lyon sind am Montag frisch lackiert worden. Moers behauptet, dass der Lack mit dem an der Hose identisch ist.«
    »Sind die Bahnangestellten verhört worden?«
    »Ja, Herr Richter, und es dauert noch an.«
    »Sie haben also schließlich trotz allem einige Resultate erzielt.«
    »Trotz allem, ja. Ich weiß auch, wann es sich der Mann anders überlegt hat.«
    »Was anders überlegt hat?«
    Madame Maigret goss ihrem Mann eine Tasse Kräutertee ein und bedeutete ihm, ihn zu trinken, solange er heiß sei.
    »Zuerst hat er, wie ich Ihnen schon gesagt habe, gehofft, allein da rauszukommen. Und dann, am Mittwochmorgen, ist ihm der Gedanke gekommen, sich an mich zu wenden. Dabei ist es bis etwa vier Uhr nachmittags geblieben. Was dann passiert ist, weiß ich nicht. Vielleicht hat er, nachdem er auf dem Postamt am Faubourg Saint-Denis sein letztes SOS an uns abgesandt hat, gedacht, dass es ohnehin nichts nützen würde. Jedenfalls ist er ungefähr eine Stunde später, gegen fünf Uhr, in ein Lokal in der Rue Saint-Antoine gegangen.«
    »Es hat sich also schließlich doch ein Zeuge gefunden?«
    »Nein, Herr Richter. Janvier hat es herausgefunden, als er in allen Lokalen das Foto

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