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Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Titel: Maigret - 29 - Maigret und sein Toter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Flackern in seinen Augen wahrnehmen könnte.
    »Ist das alles?«
    »Ungefähr alles, was sie mir an Interessantem gesagt hat. Trotzdem hat sie mich eine halbe Stunde lang mit ihrem Redeschwall überschüttet. Vielleicht wäre es das Beste, Sie sprächen einmal mit ihr.«
    »Mach ich auch.«
    »Soll ich sie zu Ihnen bringen?«
    »Warte einen Augenblick. Weiß man, wie lange das Auto vor dem ›Petit Albert‹ gestanden hat?«
    »Etwa eine halbe Stunde.«
    »Ist es dann in Richtung Stadt weitergefahren?«
    »Nein. Es ist den Quai in Richtung Charenton entlanggefahren.«
    »Ist keine Kiste aus dem Haus in das Auto getragen worden? Du verstehst doch, was ich meine?«
    »Nein. Die Alte behauptet steif und fest, die Männer hätten nichts getragen. Gerade das will mir nicht in den Kopf. Dann ist da auch noch die Zeit. Übrigens frage ich mich, was die Kerle von neun Uhr abends bis ein Uhr morgens mit der Leiche hätten anfangen sollen. Sie haben wohl keinen Ausflug aufs Land unternommen. Soll ich Ihnen jetzt den komischen Vogel bringen?«
    »Ja. Nimm dir ein Taxi, und lass es warten. Bring auch einen Inspektor mit. Er soll unten mit der Alten im Wagen warten.«
    »Wollen Sie aus dem Haus gehen?«
    »Ja.«
    »Und Ihre Bronchitis?«
    Lucas war nett; er sagte Bronchitis statt Schnupfen, weil es ernster klang.
    »Mach dir deswegen keine Sorgen.«
    Madame Maigret begann unruhig auf dem Stuhl hin und her zu rutschen und schien etwas sagen zu wollen.
    »Sag dem Inspektor, er soll sie nicht entwischen lassen, während du raufkommst. Manche Leute verspüren plötzlich die Neigung, es sich anders zu überlegen.«
    »Ich glaube nicht, dass das bei ihr der Fall ist. Sie legt Wert darauf, dass ihr Foto in die Zeitungen kommt, samt ihren Titeln und Fähigkeiten. Sie hat mich gleich gefragt, wo die Fotografen seien.«
    »Dann lass sie zum Schluss noch fotografieren. Das wird ihr auf jeden Fall Spaß machen.«
    Er legte auf, sah seine Frau mit sanfter Ironie an und blickte dann auf seinen Alexandre Dumas, den er nicht fertiggelesen hatte und den er diesmal bestimmt auch nicht fertiglesen würde. Das Buch musste warten, bis er wieder einmal krank war. Er warf auch noch einen – allerdings verächtlichen – Blick auf die Tasse mit dem Kräutertee.
    »An die Arbeit!«, rief er aus, stand auf und ging zum Schrank, dem er die Flasche mit dem Calvados und ein kleines Glas mit Goldrand entnahm.
    »Du hättest dir das viele Aspirin zum Schwitzen sparen können!«, seufzte Madame Maigret.

4
    Bei der Kriminalpolizei gab es eine Reihe berühmter Geschichten vom »Auf-der-Lauer-liegen«, die jedem Neuling unweigerlich erzählt wurden. Darunter eine, die schon fünfzehn Jahre alt war und in der Maigret die Hauptrolle spielte. Es war im Spätherbst gewesen, in der schlechtesten Zeit des Jahres, vor allem in der Normandie, wo ein tief herabhängender, bleigrauer Himmel die Tage noch kürzer machte. Drei Tage und zwei Nächte lang hatte der Kommissar auf einer verlassenen Straße in der Nähe von Fécamp, ohne sich von der Stelle zu rühren, an einer Gartentür darauf gewartet, dass ein Mann aus der dahinterliegenden Villa herauskam. Weit und breit war kein anderes Haus zu sehen gewesen. Nichts als Felder ringsum. Nicht einmal die Kühe waren mehr auf der Weide. Er hätte zwei Kilometer laufen müssen, um ein Telefon zu finden und um Ablösung zu bitten. Niemand wusste, dass er dort stand. Er selbst hatte nicht damit gerechnet, dass er hingehen würde.
    Drei Tage und zwei Nächte lang hatte es in Strömen geregnet; es war ein eisiger Regen, der schließlich sogar den Tabak in der Pfeife durchnässt hatte. Alles in allem waren vielleicht drei Bauern in Holzschuhen vorbeigekommen, die ihn misstrauisch gemustert und dann den Schritt beschleunigt hatten. Maigret hatte nichts zu essen und nichts zu trinken gehabt, aber das Schlimmste war gewesen, dass ihm am Ende des zweiten Tages auch die Streichhölzer für seine Pfeife ausgegangen waren.
    Lucas konnte ebenfalls mit einer Geschichte aufwarten, die als Geschichte vom geheimnisvollen Invaliden bekannt war. Um ein kleines Hotel zu überwachen, das sich genau an der Ecke der Rue de Birague, unweit der Place des Vosges befand, hatte er sich in einem Zimmer gegenüber einmieten müssen, und man hatte ihn als gelähmten Greis verkleidet, den eine Krankenschwester jeden Morgen ans Fenster schob, wo er den ganzen Tag sitzen blieb. Ein prächtiger Vollbart hatte sein Gesicht umrahmt, und das Essen war ihm mit dem

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