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Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Titel: Maigret - 29 - Maigret und sein Toter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Löffel eingeflößt worden. Das war zehn Tage lang so gegangen, und er war danach so steif gewesen, dass er sich kaum auf den Beinen halten konnte.
    An diese und andere Geschichten erinnerte sich Maigret in dieser Nacht, und er ahnte, dass das Versteckspiel, das jetzt begann, ebenso berühmt werden würde, ebenso denkwürdig, vor allem für ihn.
    Fast war es ein Spiel, dem er sich mit dem allergrößten Ernst hingab. Gegen sieben Uhr zum Beispiel, als Lucas sich zum Gehen anschickte, hatte er ganz selbstverständlich zu ihm gesagt:
    »Du trinkst doch noch ein Gläschen?«
     
    Die Läden des Lokals waren geschlossen, so wie er sie vorgefunden hatte. Die Lampen brannten. Es war wie in jeder anderen kleinen Kneipe nach Feierabend. Die Tische standen an ihrem Platz, und der Fußboden war mit Sägespänen bestreut.
    Maigret hatte Gläser vom Regal geholt.
    »Einen Grenadine oder einen Cassis?«
    »Cassis.«
    Und, als wollte er sich noch mehr mit dem Toten identifizieren, hatte er sich einen Suze eingeschenkt.
    »Wer könnte deiner Meinung nach das Lokal übernehmen?«
    »Chevrier zum Beispiel. Seine Eltern haben ein Hotel in Moret-sur-Loing, und er hat dort mitgeholfen, bis er zum Militär musste.«
    »Ruf ihn noch heute Abend an, damit er sich vorbereitet. Auf dein Wohl! Er soll sich eine Frau suchen, die kochen kann.«
    »Er wird es schon schaffen.«
    »Noch einen kleinen Vermouth?«
    »Nein, danke. Ich gehe.«
    »Schick mir gleich Moers. Er soll sein Werkzeug mitbringen.«
    Maigret begleitete Lucas zur Tür und betrachtete einen Augenblick lang den verlassenen Quai, die aufgereihten Fässer und die für die Nacht vor Anker gegangenen Schleppkähne.
    Es war ein kleines Lokal, wie man es häufig findet, nicht in Paris selbst, sondern in den Vororten, ein richtiges kleines Provinzlokal, wie man es auf Postkarten sieht. Ein einstöckiges Eckhaus mit rotem Ziegeldach und gelbgestrichenen Mauern, auf denen in großen braunen Buchstaben stand: ›Au Petit Albert‹. Daneben war auf jeder Seite in kindlichen Schnörkeln zu lesen: Wein – durchgehende Küche.
    Auf dem Hof dahinter hatte der Kommissar unter einem Vordach grüne Kübel mit Ziersträuchern gefunden, die man im Sommer wahrscheinlich auf den Gehsteig stellte, zusammen mit zwei, drei Tischen, die so etwas wie eine Terrasse bildeten.
    Er fühlte sich in dem leeren Haus schon ganz heimisch. Da seit einigen Tagen nicht geheizt worden war, war es kalt und feucht in den Räumen, und Maigret schielte ein paarmal zu dem großen Ofen hinüber, der in der Mitte des Lokals stand und dessen schwarzglänzendes Rohr sich durch den ganzen Raum hinzog, bevor es in einer Wand verschwand.
    Warum sollte er eigentlich nicht Feuer machen, wo doch ein fast voller Kohleneimer dastand? Unter dem Vordach im Hof entdeckte er auch Brennholz, ein Beil und einen Hackklotz. In einer Ecke der Küche lagen alte Zeitungen.
    Einige Minuten später knisterte das Feuer, und der Kommissar stellte sich breitbeinig, die Hände auf dem Rücken verschränkt, in der für ihn typischen Haltung vor den Ofen.
    Im Grunde war die alte Frau, von der Lucas gesprochen hatte, gar nicht verrückt. Sie waren mit ihr in ihre Wohnung gefahren. Im Taxi hatte sie die ganze Zeit über wie ein Wasserfall geredet, aber ab und zu ihre Begleiter verstohlen gemustert, um zu sehen, welchen Eindruck ihre Worte auf sie machten.
    Ihr Haus war kaum hundert Meter entfernt; es war ebenfalls klein und einstöckig, eine Art Pavillon, mit Gärtchen. Da das Haus auf derselben Seite des Quais stand, fragte sich Maigret, wie sie – noch dazu im Dunkeln – hatte sehen können, was in einiger Entfernung auf dem Gehsteig vorging.
    »Sie haben doch nicht die ganze Zeit auf dem Gehsteig gestanden?«
    »Nein.«
    »Auch nicht unter der Tür?«
    »Nein, ich war im Haus.«
    Sie hatte recht. Das Vorderzimmer, das erstaunlich sauber und aufgeräumt war, hatte nicht nur Fenster zur Straße, sondern auch ein seitliches Fenster, durch das man einen großen Teil des Quais in Richtung des ›Petit Albert‹ sehen konnte. Da es keine Läden hatte, war es ganz natürlich, dass die Scheinwerfer eines parkenden Autos die Aufmerksamkeit der Alten erregt hatten.
    »Waren Sie allein zu Hause?«
    »Madame Chauffier war bei mir.«
    Eine Hebamme, die eine Straße weiter wohnte. Man hatte es nachgeprüft. Es stimmte. Entgegen allen Vermutungen, die man hätte anstellen können, wenn man die Alte sah, war das Haus genauso eingerichtet wie jedes andere Heim einer

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