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Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Titel: Maigret - 29 - Maigret und sein Toter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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alleinstehenden Frau. Es war darin nichts von dem Krimskrams zu finden, mit dem sich Wahrsagerinnen so gern umgeben. Im Gegenteil, die hellen Möbel kamen direkt vom Boulevard Barbès, und der Fußboden war mit gelbem Linoleum bedeckt.
    »Das musste ja so kommen«, sagte sie. »Haben Sie gelesen, was auf der Fassade seines Lokals geschrieben steht? Entweder war er ein Eingeweihter oder ein Frevler.«
    Sie hatte Wasser für den Kaffee aufgesetzt und wollte Maigret mit allen Mitteln zwingen, auch eine Tasse zu trinken. Sie erklärte ihm, dass der Petit Albert ein Magiebuch aus dem vierzehnten oder fünfzehnten Jahrhundert sei.
    »Und wenn er mit Vornamen Albert heißt und tatsächlich klein ist?«, gab der Kommissar zurück.
    »Er ist klein, das weiß ich. Ich habe ihn oft gesehen. Aber das ist kein ausreichender Grund. Es gibt Dinge, mit denen man nicht ungestraft spielt.«
    Über Alberts Frau sagte sie:
    »Eine große Dunkelhaarige, nicht sehr sauber, bei der ich nicht essen möchte und die immer nach Knoblauch roch.«
    »Seit wann sind die Läden geschlossen?«
    »Ich weiß es nicht. Am Morgen nach dem Tag, als ich das Auto gesehen hatte, bin ich im Bett geblieben, weil ich Grippe hatte. Als ich aufgestanden bin, war das Lokal geschlossen, und ich habe gedacht, Gott sei Dank, dass die fort sind.«
    »Ging es sehr laut zu?«
    »Nein. Es ging fast niemand dorthin. Doch, ja, die Arbeiter von dem Kran da drüben am Quai haben dort zu Mittag gegessen. Und auch der Küfer von Cess, dem Weinhändler. Und die Matrosen tranken dort manchmal ein Glas an der Theke.«
    Sie hatte durchaus wissen wollen, in welchen Zeitungen ihr Foto erscheinen würde.
    »Vor allem will ich nicht, dass Sie schreiben, ich sei Kartenlegerin. Das wäre ungefähr so, als würde man Sie als Polizisten bezeichnen.«
    »Ich würde das nicht als Beleidigung auffassen.«
    »Aber mir würde damit Unrecht geschehen.«
    Damit war die Vernehmung der Alten beendet gewesen. Er hatte seinen Kaffee getrunken und war dann mit Lucas zu dem Haus an der Ecke gegangen. Lucas hatte mechanisch an dem Türknopf gedreht, und die Tür war aufgegangen.
    Seltsam, dass in dieser kleinen Kneipe, deren Tür mindestens vier Tage lang unverschlossen geblieben war, alles unversehrt aussah. Die Flaschen standen auf dem Regal, und das Geld in der Registrierkasse war auch noch da.
    Die Wände waren mit Ölfarbe gestrichen; bis etwa ein Meter Höhe in Braun und darüber in Blassgrün. Es hingen auch Kalender dort, wie man sie in allen Provinzlokalen findet.
    Im Grunde war der ›kleine Albert‹ gar nicht so pariserisch gewesen. Oder vielmehr, er hatte sich, wie die meisten Pariser, seinen ländlichen Geschmack bewahrt. Man spürte, dass er dieses Lokal auf seine Art eingerichtet hatte, irgendwie liebevoll. Man hätte ein ähnliches Lokal in jedem französischen Dorf finden können.
    Mit dem Zimmer oben war es genauso. Maigret war, die Hände in den Taschen, durch das ganze Haus gegangen. Lucas, der ihm gefolgt war, amüsierte sich darüber, dass der Kommissar Hut und Mantel abgelegt hatte und sich wie jemand benahm, der eine neue Wohnung in Besitz nimmt. Nach kaum einer halben Stunde fühlte er sich schon wie zu Hause. Von Zeit zu Zeit stellte er sich breitbeinig hinter die Theke, als sei er der Wirt.
    »Eins ist jedenfalls sicher: Nine ist nicht hier.«
    Sie hatten sie überall gesucht, vom Keller bis zum Dachboden; auch den Hof hatten sie durchstöbert, ebenso das Gärtchen, in dem haufenweise alte Kisten und leere Flaschen herumlagen.
    »Und was hältst du davon?«
    »Ich weiß es nicht, Chef.«
    Das Lokal hatte nur acht Tische. Vier standen längs der einen Wand, zwei gegenüber und die beiden übrigen in der Mitte des Raums, in der Nähe des Ofens. Auf einen dieser beiden Tische blickten Maigret und Lucas immer wieder, weil die Sägespäne unter einem der Stühle sorgfältig zusammengekehrt waren. Wozu, wenn nicht um Blutspuren zu verdecken?
    Aber wer hatte das Gedeck des Toten abgeräumt, wer hatte es zusammen mit den Gläsern gespült?
    »Vielleicht sind sie danach noch einmal wiedergekommen?«, meinte Lucas.
    Eins war jedenfalls merkwürdig: Obwohl das ganze Haus aufgeräumt war, stand auf der Theke eine angebrochene Flasche – nur eine einzige –, und Maigret hatte sich wohlweislich gehütet, sie anzufassen. Es war eine Flasche Cognac, und es war anzunehmen, dass die, die sich den Cognac genehmigt hatten, auf Gläser verzichtet und direkt aus der Flasche getrunken

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