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Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Titel: Maigret - 29 - Maigret und sein Toter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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seinen blutigen Daumen zeigte. Im Gegenteil, ihre Züge verzerrten sich wie unter einem plötzlichen, heftigen Schmerz.
    Maigret, der sie beobachtete, runzelte die Stirn und brummte:
    »Aber sie bekommt ja ein Kind!«
    Er wandte sich an Lucas.
    »Ruf einen Krankenwagen. Bring sie in die Frauenklinik, und sag dem Wirt, er soll gleich raufkommen.«
    Der junge Inspektor wurde rot und wagte nicht mehr, zum Bett zu blicken. In den anderen Stockwerken des Hauses ging inzwischen die Jagd weiter, dass der Boden bebte.
    »Willst du nicht sprechen?«, fragte Maigret die Frau. »Verstehst du kein Französisch?«
    Sie starrte ihn immer noch an, und es war unmöglich zu erraten, was sie dachte. Das Einzige, was sich in ihrem Gesicht spiegelte, war wilder Hass.
    Sie war jung, bestimmt nicht einmal fünfundzwanzig, und ihre vollen Wangen waren von langem, seidig-schwarzem Haar umrahmt. Jemand stolperte die Treppe herauf, blieb stehen und zögerte. Einen Augenblick später stand der Wirt im Türrahmen.
    »Wer ist das?«
    »Sie heißt Maria.«
    »Und weiter?«
    »Ich glaube, sie hat keinen anderen Namen.«
    Plötzlich wurde Maigret von einem Zorn ergriffen, dessen er sich augenblicklich schämte. Er hob einen Männerschuh auf, der am Fußende des Bettes lag.
    »Und das da?«, schrie er, indem er ihn dem Wirt vor die Füße warf.
    »Hat das auch keinen Namen? Und das? Und das?«
    Er holte eine Jacke, ein schmutziges Hemd, einen zweiten Schuh und eine Mütze aus dem Schrank.
    »Und das?«
    Er ging in das Nebenzimmer und deutete auf zwei Koffer, die in einer Ecke standen.
    »Und das?«
    Ein Stück Käse auf fettigem Papier, vier Gläser, Teller mit Resten von Aufschnitt.
    »Sind die alle in deinem Buch eingetragen, die hier gewohnt haben? Wie? Antworte! Und vor allem: Wie viele waren es?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Spricht diese Frau Französisch?«
    »Ich weiß nicht. Nein! Sie versteht einige Wörter.«
    »Seit wann ist sie hier?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Er hatte einen scheußlichen, bläulichen Furunkel am Hals und spärliches Haar. Er sah ungesund aus. Seine Hose, deren Träger er nicht übergestreift hatte, rutschte ihm über die Hüften, und er hielt sie mit beiden Händen fest.
    »Wann hat das da angefangen?«
    Maigret deutete auf die Frau.
    »Man hat mir nichts davon gesagt.«
    »Du lügst! Und die anderen? Wo sind sie?«
    »Wahrscheinlich sind sie fort …«
    »Wann?«
    Maigret ging brutal, mit geballten Fäusten, auf ihn zu. In diesem Augenblick wäre er imstande gewesen, den Mann zu schlagen.
    »Sie haben sich sofort aus dem Staub gemacht, nachdem der Mann auf der Straße erschossen worden ist, gib’s zu! Sie waren schlauer als die anderen. Sie haben nicht erst die Absperrung abgewartet.«
    Der Wirt antwortete nicht.
    »Sieh dir den an. Gib zu, dass du ihn kennst.«
    Er hielt ihm Victor Polienskys Foto unter die Nase.
    »Kennst du ihn?«
    »Ja.«
    »Hat er in diesem Zimmer gewohnt?«
    »Nebenan.«
    »Mit den anderen? Und wer hat mit der Frau hier geschlafen?«
    »Ich schwöre Ihnen, ich weiß es nicht. Vielleicht waren es mehrere …«
    Lucas kam wieder herauf. Fast im selben Augenblick hörte man draußen die Sirene des Krankenwagens. Die Frau schrie vor Schmerz laut auf, biss sich aber gleich auf die Lippe und sah die Männer herausfordernd an.
    »Hör zu, Lucas, ich habe noch eine ganze Weile hier zu tun. Fahr du mit ihr. Und weiche nicht von ihrer Seite. Ich meine damit, du sollst im Flur des Krankenhauses bleiben. Ich werde gleich nachher versuchen, einen tschechischen Dolmetscher aufzutreiben.«
    Andere Mieter, die abgeführt wurden, stiegen polternd die Treppe hinunter und stießen dabei auf die Sanitäter, die mit der Tragbahre heraufkamen. All das hatte in dem trüben Licht etwas Gespenstisches. Es erinnerte an einen Albtraum, aber an einen, der nach Schweiß und Schmutz roch.
    Maigret ging solange nach nebenan, während sich die Sanitäter mit der jungen Frau beschäftigten.
    »Wo bringst du sie hin?«, fragte er Lucas.
    »Ins ›Laënnec‹. Ich musste drei Krankenhäuser anrufen, bis ich ein freies Bett gefunden habe.«
    Der Wirt wagte sich nicht zu bewegen und blickte mit düsterer Miene auf den Fußboden.
    »Bleib hier! Mach die Tür zu!«, befahl ihm Maigret, als sie allein waren. »So, und jetzt erzähl.«
    »Ich weiß nicht viel, ich schwöre es Ihnen.«
    »Heute Abend war ein Inspektor bei dir und hat dir das Foto gezeigt, stimmt das?«
    »Das stimmt.«
    »Und du hast erklärt, du würdest den Mann

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