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Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Titel: Maigret - 29 - Maigret und sein Toter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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wohl Angst vor den anderen?«
    »Vor ihr auch.«
    »Gut. Wenigstens bist du diesmal ehrlich. Aber du hast dich doch sicher nicht damit begnügt, hin und wieder in das Zimmer zu sehen. Gib es zu.«
    »Es stimmt, ich habe ein Loch in die Wand gebohrt. Ich habe dafür gesorgt, dass das Nebenzimmer so selten wie möglich belegt war.«
    »Wer hat mit ihr geschlafen?«
    »Alle.«
    »Auch der Junge?«
    »Der Junge am häufigsten.«
    »Gestern hast du mir gesagt, er sei wahrscheinlich ihr Bruder.«
    »Weil er ihr ähnlich sieht. Er war am meisten in sie verliebt. Ich habe ihn mehrmals weinen sehen. Wenn er bei ihr war, hat er sie angefleht.«
    »Um was?«
    »Ich weiß es nicht. Sie haben nicht Französisch gesprochen. Wenn ein anderer im Zimmer war, kam er manchmal runter und hat sich ganz allein in einer kleinen Kneipe in der Rue des Rosiers betrunken.«
    »Haben sie sich gestritten?«
    »Die Männer konnten sich nicht leiden.«
    »Weißt du wirklich nicht, wem das blutbefleckte Hemd gehört, das sie im Waschbecken gewaschen hat?«
    »Ich bin nicht sicher. Ich habe es an Victor gesehen, aber sie tauschten ihre Sachen untereinander aus.«
    »Wer von denen, die bei dir wohnten, war deiner Meinung nach der Anführer?«
    »Es gab keinen Anführer. Wenn sie sich gestritten haben, hat Maria sie angebrüllt, und dann waren sie gleich still.«
    Der Hotelbesitzer war in sein elendes Loch zurückgekehrt, wieder in Begleitung eines Polizisten, an den er sich auf der Straße schutzsuchend drängte, wobei ihm der Angstschweiß aus allen Poren trat. Er musste noch schlechter riechen als sonst, denn die Furcht hat einen üblen Geruch.
    Jetzt blickte Richter Coméliau, der einen steifen Kragen, eine dunkle Krawatte und einen untadeligen Anzug trug, Maigret an, der mit dem Rücken zum Hof auf dem Fensterbrett saß.
    »Die Frau hat nichts gesagt und wird nichts sagen«, meinte der Kommissar und zog mehrmals an seiner Pfeife. »Seit gestern Abend laufen in Paris drei wilde Tiere frei herum: Serge Madok, Carl und der kleine Pietr, der trotz seiner Jugend kein Unschuldsengel sein dürfte. Von dem gar nicht zu reden, der sie öfters besucht hat und der wahrscheinlich der Anführer der ganzen Bande ist.«
    »Ich nehme an«, unterbrach ihn der Richter, »dass Sie das Notwendige veranlasst haben?«
    Er hätte Maigret gern bei einem Fehler ertappt. Denn der Kommissar hatte das Ganze zu schnell und wie im Spiel aufgedeckt. Während er tat, als kümmerte er sich ausschließlich um seinen Toten, den kleinen Albert, hatte er eine Bande aufgespürt, hinter der die Polizei seit fünf Monaten vergeblich her war.
    »Die Bahnhöfe sind alarmiert, beruhigen Sie sich. Es wird zwar nichts nützen, aber es ist nun mal das Übliche. Die Straßen und Grenzen werden ebenfalls überwacht. Auch das ist Vorschrift. Viele Rundschreiben, Telegramme, Telefonanrufe, Tausende von Leuten in hektischer Tätigkeit, aber …«
    »Das ist unerlässlich.«
    »Es wird ja auch gemacht. Auch die Hotels werden überwacht, vor allem die von der Art des ›Lion d’Or‹. Irgendwo müssen diese Leute ja schließlich schlafen.«
    »Ein Chefredakteur, der zu meinen Freunden zählt, hat mich vorhin angerufen, um sich über Sie zu beschweren. Angeblich verweigern Sie den Reportern jegliche Auskunft.«
    »Das stimmt. Ich halte es für sinnlos, die Pariser Bevölkerung durch die Mitteilung zu beunruhigen, dass sich einige Mörder, denen die Polizei auf den Fersen ist, in den Straßen der Stadt herumtreiben.«
    »Ich muss Maigret beipflichten«, sagte der Leiter der Kriminalpolizei.
    »Ich übe keine Kritik, meine Herren, ich versuche mir eine Meinung zu bilden. Sie haben Ihre Methoden. Maigret – vor allem er – hat die seinen, die manchmal recht eigenartig sind. Er hat es nicht immer eilig, mich auf dem Laufenden zu halten, und dennoch bin ich letztlich allein verantwortlich. Der Staatsanwalt hat soeben auf meine Bitte hin den Fall der Picardie-Bande mit dem des kleinen Albert zusammengelegt. Ich möchte die Sache endlich zum Abschluss bringen.«
    »Wir wissen bereits«, sagte Maigret mit gewollt monotoner Stimme, »wie die Opfer ausgesucht worden sind.«
    »Haben Sie Zeugenaussagen aus dem Norden bekommen?«
    »Das war nicht nötig. Moers hat in den beiden Zimmern in der Rue du Roi-de-Sicile zahlreiche Fingerabdrücke gefunden. Wenn diese Herren bei ihrer Arbeit auf den Bauernhöfen auch Gummihandschuhe getragen und somit keine Spuren hinterlassen haben, wenn die Mörder des kleinen

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