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Maigret - 31 - Mein Freund Maigret

Maigret - 31 - Mein Freund Maigret

Titel: Maigret - 31 - Mein Freund Maigret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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der Partie zu.
    »Werden Sie die Verhöre in der Bürgermeisterei vornehmen?« erkundigte sich der kleine Lechat, der noch nicht im geringsten müde zu sein schien.
    Maigret hätte beinahe geantwortet:
    »Was für Verhöre?«
    Aber er durfte nicht Mr. Pyke vergessen, der seinen Schnaps fast genießerisch trank.
    »In der Bürgermeisterei, ja …«
    Lieber hätte er sich jetzt zu einem Mittagsschläfchen niedergelegt.

3
Benoits Sarg
    Félicien Jamet, der Bürgermeister (man nannte ihn natürlich immer nur Félicien), kam mit seinem Schlüssel, um die Tür der Bürgermeisterei zu öffnen. Zweimal schon hatte Maigret, als er ihn den Platz überqueren sah, sich gefragt, was an seiner Kleidung so ungewöhnlich sei. Jetzt war es ihm plötzlich klar. Vielleicht weil Félicien in seinem Laden auch Lampen, Petroleum, Eisendraht und Nägel verkaufte, trug er statt der gelblichen Schürze der Krämer den grauen Kittel der Eisenwarenhändler. Dieser Kittel war sehr lang und reichte ihm fast bis an die Knöchel. Trug er eine Hose darunter? Oder verzichtete er wegen der Hitze auf sie? Jedenfalls war diese Hose, wenn er eine anhatte, so kurz, daß sie nicht unter dem Kittel hervorragte, und so sah es aus, als ob der Bürgermeister im Nachthemd sei. Genauer gesagt – und das seltsame Käppchen auf seinem Kopf steigerte diesen Eindruck noch – hatte er etwas Mittelalterliches, und man konnte glauben, ihn schon irgendwo auf einem Kirchenfenster gesehen zu haben.
    »Sie brauchen mich wohl nicht, Messieurs?«
    Auf der Schwelle des staubigen Raums sahen Maigret und Mr. Pyke sich ziemlich betroffen an, blickten dann zu Lechat hin und schließlich zu Félicien. Auf dem Tisch nämlich, der bei den Versammlungen des Stadtrats und den Wahlen benutzt wurde, stand ein Sarg aus rohem Holz, der nicht gerade mehr neu zu sein schien.
    Als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt, sagte Jamet zu ihnen:
    »Würden Sie vielleicht mit anfassen, dann können wir ihn in eine Ecke stellen.«
    »Was ist das für ein Sarg?« fragte Maigret baß erstaunt.
    »Das ist der städtische Sarg. Wir sind gesetzlich Verpflichtet, die Ortsarmen ordnungsmäßig zu begraben, und wir haben nur einen Tischler auf der Insel, der zudem schon sehr alt ist und sehr langsam arbeitet. In der Sommerhitze können die Leichen aber nicht so lange warten.«
    Er sprach davon wie von etwas ganz Natürlichem, und Maigret blickte den Beamten von Scotland Yard verstohlen an.
    »Haben Sie viele Arme?«
    »Wir haben nur einen, den alten Benoit.«
    »Dann ist der Sarg also für Benoit bestimmt?«
    »An sich ja. Aber am Mittwoch haben wir in ihm Marcellins Leiche nach Hyères gebracht. Sie brauchen jedoch nichts zu befürchten. Er ist desinfiziert.«
    In dem Raum standen sonst nur noch ein paar Klappstühle.
    »Kann ich Sie jetzt allein lassen, Messieurs?«
    »Einen Augenblick noch. Wer ist Benoit?«
    »Sie haben ihn sicher schon gesehen oder werden ihn noch sehen: die Haare hängen ihm bis auf die Schultern, und er hat einen struppigen Bart. Schauen Sie mal durch das Fenster – dahinten auf der Bank, dicht bei den Boulespielern, hält er gerade Siesta.«
    »Ist er schon sehr alt?«
    »Das weiß niemand, und er selber weiß es auch nicht. Er behauptet, fast hundert Jahre alt zu sein, aber das ist wohl nur Angeberei. Er hat keine Papiere. Man weiß auch nicht seinen richtigen Namen. Er ist schon sehr lange auf der Insel. Morin-Barbus, der das Café an der Ecke hat, war damals noch ein junger Mann.«
    »Woher kam er?«
    »Das wissen wir auch nicht. Sicherlich aus Italien. Die meisten sind aus Italien gekommen. Man erkennt an der Art, wie sie sprechen, ob sie aus Genua oder der Gegend von Neapel sind, aber Benoit hat seine eigene Sprache. Man kann ihn nur schwer verstehen.«
    »Ist er etwas einfältig?«
    »Wie bitte?«
    »Ist er ein wenig verrückt?«
    »Er ist schlau wie ein Affe. Heute sieht er wie ein Patriarch aus. Aber in ein paar Tagen, wenn die Fremden kommen, wird er sich Bart und Kopf scheren. Er tut das jedes Jahr um die gleiche Zeit. Und dann wird er wieder Mordus fangen.«
    Man mußte alles wissen.
    »Mordus?«
    »Mordus sind Würmer mit sehr harten Köpfen, die man im Sand am Meeresufer findet. Die Fischer nehmen sie lieber als andere Würmer, weil sie fester am Angelhaken sitzen. Sie zahlen einen guten Preis dafür. Den ganzen Sommer fängt Benoit Mordus und steht dabei immer bis an die Knie im Wasser. In seinen jungen Jahren ist er Maurer gewesen. Er hat eine ganze

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