Maigret - 31 - Mein Freund Maigret
Anzahl der Häuser auf der Insel gebaut. Sonst brauchen Sie wohl nichts weiter, Messieurs?«
Maigret beeilte sich, das Fenster zu öffnen, um den schimmeligen und muffigen Geruch zu verscheuchen. Man schien seit dem letzten 14. Juli, als man die Fahnen und die Stühle herausgeholt hatte, hier nicht gelüftet zu haben.
Der Kommissar wußte nicht recht, was er hier eigentlich sollte. Er hatte gar keine Lust, Verhöre vorzunehmen. Warum hatte er ja gesagt, als Inspektor Lechat es ihm vorgeschlagen hatte? Aus Feigheit wegen Mr. Pyke? Aber ist es nicht ganz natürlich, daß man bei Beginn einer Untersuchung die Leute vernimmt? Machen sie es in England nicht ebenso? Würde man ihn ernst nehmen, wenn er auf der Insel herumstriche wie jemand, der nichts anderes zu tun hat?
Doch im Augenblick interessierte ihn nur die Insel und nicht dieser oder jener ihrer Bewohner. Was zum Beispiel der Bürgermeister eben erzählt hatte, brachte das noch verschwommene Bild, das man sich machte, ganz ins Wanken. Diese Männer auf den kleinen Booten, die an den Küsten auf und ab fuhren, so wie man zu Hause auf einem Boulevard auf und ab ging! Das paßte so gar nicht zu der Vorstellung, die man vom Meer hatte. Das Meer, schien es ihm, hatte hier so gar nichts Dämonisches, sondern etwas Alltäglich-Vertrautes. Ein paar Meilen von Toulon entfernt begegneten einem Leute, die in einem Boot von Genua und Neapel herübergekommen waren, während sie unterwegs geangelt hatten, als sei das die selbstverständlichste Sache von der Welt. Ungefähr so, wie es Marcellin gemacht hatte. Man landete hier, und wenn es einem gefiel, blieb man und schrieb vielleicht in die Heimat, um die Frau oder Braut nachkommen zu lassen.
»Soll ich sie Ihnen nacheinander vorführen, Chef? Mit wem wollen Sie beginnen?«
Maigret war das höchst gleichgültig.
»Ich sehe da gerade den jungen van Greef mit seiner Freundin über den Platz gehen. Soll ich ihn holen?«
Man setzte Maigret zu, und er wagte nicht, etwas dagegen zu sagen. Immerhin hatte er den einen Trost, daß sein Kollege ebenso arbeitsunlustig war wie er selber.
»Werden die Zeugen, die Sie vernehmen wollen«, fragte Mr. Pyke, »in aller Form vorgeladen?«
»Nein, ganz und gar nicht. Sie kommen ganz von selber. Sie können aussagen oder die Aussage verweigern. Meistens sagen sie lieber aus, aber sie könnten die Anwesenheit eines Anwalts fordern.«
Es schien sich bereits herumgesprochen zu haben, daß der Kommissar in der Bürgermeisterei war, denn wie am Morgen bildeten sich Gruppen auf dem Platz. Ein ganzes Stück entfernt, unter dem Eukalyptusbaum, stand Lechat in lebhafter Unterhaltung mit einem Paar, das ihm schließlich folgte. Eine Mimose unmittelbar neben der Tür duftete bis ins Zimmer herein, und dieser Duft mischte sich seltsam mit dem muffigen Geruch im Raume.
»Bei Ihnen wird das wahrscheinlich förmlicher zugehen.«
»Nicht immer. Auf dem Lande oder in kleinen Städten spielt sich die Vernehmung oft im Hinterzimmer eines Gasthofs ab.«
Van Greef wirkte dadurch, daß seine Haut so bronzefarben war wie die eines Eingeborenen von Haiti, noch blonder. Er war nur mit hellen Shorts und Sandalen bekleidet, während seine Begleiterin einen Pareo, wie ihn die Frauen in der Südsee tragen, eng um den Körper geschlungen hatte.
»Sie möchten mich sprechen?« fragte er mißtrauisch.
»Kommen Sie nur herein«, beruhigte ihn Lechat. »Kommissar Maigret muß alle vernehmen. Das muß nun einmal sein.«
Der Holländer sprach ein fast akzentfreies Französisch. Er hatte ein Netz in der Hand. Sicherlich wollten die beiden gerade Einkäufe machen, als der Inspektor sie angesprochen hatte.
»Leben Sie schon lange an Bord Ihres Schiffes?«
»Drei Jahre. Warum?«
»Die Frage hat nichts weiter zu bedeuten. Sie sind Maler, wie man mir berichtet hat. Verkaufen Sie Ihre Bilder?«
»Wenn sich eine Gelegenheit dazu bietet.«
»Bietet sie sich oft?«
»Nur selten. In der letzten Woche habe ich ein Bild an Mrs. Wilcox verkauft.«
»Kennen Sie sie gut?«
»Ich habe sie hier kennengelernt.«
Lechat trat zu Maigret heran und flüsterte ihm etwas zu. Er wollte wissen, ob er Emil holen solle, und der Kommissar nickte.
»Was ist sie für ein Mensch?«
»Mrs. Wilcox? Sie ist eine sehr amüsante Person. Ich hätte sie genausogut in Montparnasse kennenlernen können, denn sie verbringt den Winter immer in Paris. Wir haben festgestellt, daß wir gemeinsame Freunde haben.«
»Haben Sie in Montparnasse
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