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Maigret - 31 - Mein Freund Maigret

Maigret - 31 - Mein Freund Maigret

Titel: Maigret - 31 - Mein Freund Maigret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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vom Pferde gestürzt und lag dann drei Jahre fest, die Hälfte der Zeit in Gips. Und als er endlich aufstehen konnte, wurde es ihm klar, daß es mit dem Reiten für immer vorbei war.«
    »Und aus dem Grunde hat er Indien verlassen?«
    »Ja, deswegen ist er hergekommen. In solchen Gegenden wie hier, im Mittelmeer oder im Pazifik, werden Sie bestimmt überall solche alten Gentlemen von der Art des Majors treffen. Sie gelten meist als Originale, und wo sollten sie sonst leben?«
    »Haben sie denn kein Verlangen, nach England zurückzukehren?«
    »Ihre finanziellen Mittel würden es ihnen nicht erlauben, in London ihrem Rang entsprechend zu leben, und mit den Lebensgewohnheiten, die sie sich angeeignet haben, würden sie in England schlecht aufs Land passen.«
    »Hat er Ihnen gesagt, warum er Mrs. Wilcox nicht grüßt?«
    »Er hat nicht das Bedürfnis gehabt, es mir zu sagen.«
    Sollte er noch mehr fragen? Oder wollte auch Mr. Pyke nur ungern hören, daß man von seiner Landsmännin sprach? Mrs. Wilcox war dennoch im Grunde das als Frau, was der Major als Mann war.
    Maigret wischte sich die Wangen ab und zögerte, seinen Rock anzuziehen. Der Inspektor von Scotland Yard war auch in Hemdsärmeln. Es war schon wieder sehr heiß. Aber der Kommissar konnte es sich nicht wie sein schlanker Kollege leisten, keine Hosenträger zu tragen, und ein Mann ohne Jacke und mit Hosenträgern wirkt immer wie ein Stubenhocker auf Ausflug.
    Er zog also den Rock an. Sie konnten jetzt das Zimmer verlassen, und während Mr. Pyke sich erhob, murmelte er:
    »Der Major ist trotz allem ein Gentleman geblieben.«
    Er ging hinter Maigret die Treppe hinunter; ohne ihn zu fragen, was er jetzt vorhatte, brav hinter ihm her, und das genügte schon, um dem Kommissar den ganzen Tag zu verderben.
    Er hatte sich gerade wegen Mr. Pyke heimlich gelobt, heute morgen nicht den hohen Beamten der Polizei zu spielen. Ein Kommissar der Kriminalpolizei läuft nämlich eigentlich nicht durch die Straßen und in die Kneipen, um einen Mörder zu suchen. Er ist ein bedeutender Mann, der die meiste Zeit im Büro sitzt und wie ein General in seinem Stabsquartier eine kleine Armee von Inspektoren und Technikern befehligt.
    Maigret hatte sich aber nie dazu entschließen können. Wie einen Jagdhund verlangte es ihn, selber die Spur zu verfolgen, zu kratzen und zu schnuppern.
    An den beiden ersten Tagen hatte Lechat eine beträchtliche Arbeit geleistet, und er hatte Maigret eine Niederschrift aller von ihm vorgenommenen Verhöre übergeben. Die ganze Insel hatte er verhört, die Morins und die Gallis, den kranken Arzt, den Pfarrer, den Maigret noch nicht gesehen hatte, und obendrein die Frauen. Maigret hätte sich gern in eine Ecke des Schankraums gesetzt, wo den ganzen Morgen niemand war, um diese Berichte genau zu studieren und dies und jenes mit Blau- oder Rotstift anzustreichen.
    Mit einer etwas verlegenen Miene fragte er Mr. Pyke:
    »Laufen Ihre Kollegen von Scotland Yard gelegentlich wie Anfänger durch die Straßen?«
    »Ich kenne mindestens drei oder vier von ihnen, die man nie in ihrem Büro sieht.«
    Desto besser, denn er hatte so gar keine Lust, hier sitzenzubleiben. Er begann zu begreifen, warum man die Bewohner von Porquerolles immer an den gleichen Stellen traf. Das war eine Art Instinkt. Unwillkürlich war man der Gefangene der Sonne und der Landschaft. Jetzt zum Beispiel machten Maigret und sein Begleiter draußen ziellos einige Schritte und merkten dabei kaum, daß sie zum Hafen hinuntergingen.
    Für Maigret stand es fest, daß er, wenn er aus irgendeinem Grunde den Rest seiner Tage auf dieser Insel verbringen müßte, jeden Morgen den gleichen Spaziergang machen würde, und die Pfeife, die er dabei rauchte, wäre dann die beste des ganzen Tages. Die ›Cormoran‹ hatte jetzt drüben die Spitze von Giens erreicht, die Passagiere gingen von Bord und stiegen in einen alten Autobus. Selbst mit bloßem Auge war das Schiff als ein winziger weißer Punkt zu erkennen.
    Der Stumme lud Kisten mit Gemüse und Obst für den Bürgermeister, für den Konsum, Fleisch für den Metzger und Postsäcke. Vielleicht gingen auch neue Passagiere an Bord, wie Maigret und Mr. Pyke am Tage vorher, und würden sich wahrscheinlich ebenso an der Landschaft auf dem Meeresgrund entzücken.
    Die Matrosen auf der großen weißen Jacht scheuerten das Deck. Es waren Leute mittleren Alters, die hin und wieder bei Morin-Barbus einen Schnaps tranken, ohne sich mit den Einheimischen

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