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Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen

Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen

Titel: Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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bei den Tischgesprächen, die erst nach dem Essen so richtig in Gang kommen, eine solche Überzeugungskraft, ein solches Feuer an den Tag, dass alle überzeugt sind, es mit einem Genie zu tun zu haben … Auch wenn man dann am nächsten Morgen feststellt, dass alles, was er sagt, weder Hand noch Fuß hat … Er ist noch jung … Das wird schon noch werden …«
    »Arbeitet er im Moment für Sie?«
    »Abgesehen von seinen Filmkritiken, die übrigens ausgezeichnet, wenn auch etwas zu bissig sind, ist er für niemanden tätig. In seinem Kopf brütet er ständig neue Projekte aus, konzipiert gleich mehrere Filme auf einmal, ohne je einen zu Ende zu bringen …«
    »Bittet er Sie um Vorschüsse?«
    Die Füße unter dem Tisch standen keinen Augenblick still.
    »Ach, wissen Sie, Herr Kommissar, unsere Branche lässt sich mit keiner anderen vergleichen … Wir sind immer auf der Suche nach neuen Talenten, seien es nun Schauspieler, Drehbuchautoren oder Regisseure … Es zahlt sich nicht aus, einen bekannten Regisseur zu engagieren, der immer wieder denselben Film dreht, und was die Darsteller betrifft, da müssen immer wieder neue Gesichter her …
    Deshalb haben wir gar keine andere Wahl, als auf vielversprechende junge Leute zu setzen … Allzu hoch darf das finanzielle Risiko nicht sein, sonst wären wir bald ruiniert. Ab und zu mal ein Tausender, ein paar Probeaufnahmen, ein bisschen Ermutigung …«
    »Wenn ich Sie recht verstehe, haben Sie Ricain so bereitwillig Geld geliehen, weil Sie damit gerechnet haben, dass es sich eines Tages auszahlen würde …«
    »Na ja, allzu sicher war ich mir da auch nicht.«
    »Und Sophie?«
    »Um ihre Karriere habe ich mich nicht gekümmert.«
    »Hat sie darauf gehofft, Filmstar zu werden?«
    »Legen Sie mir nicht etwas in den Mund, was ich nicht gesagt habe … Sie war immer in Begleitung ihres Mannes und hat nicht viel gesagt. Ich glaube, dass sie schüchtern war.«
    Noras bleiche Lippen verzogen sich zu einem ironischen Lächeln.
    »Meine Frau ist anderer Ansicht, und da ich ihrem Urteil mehr vertraue als meinem eigenen, sollten Sie meiner Meinung nicht allzu viel Gewicht beimessen …«
    »Wie war das Verhältnis zwischen Sophie und Francis?«
    »Wie meinen Sie das?«
    Seine Verwunderung war gespielt.
    »Schienen sie sich gut zu verstehen?«
    »Ganz selten tauchte einer von ihnen ohne den anderen auf, und ich kann mich nicht erinnern, dass sie sich jemals in meiner Gegenwart gestritten hätten …«
    Wieder spielte ein rätselhaftes Lächeln um Noras Lippen.
    »Vielleicht war sie manchmal ein bisschen ungeduldig …«
    »Wieso ungeduldig?«
    »Er glaubte daran, dass sein Leben unter einem guten Stern stand, und war sicher, eine glanzvolle Zukunft vor sich zu haben, und zwar schon sehr bald … Ich nehme an, dass sie sich bei ihrer Heirat vorgestellt hat, sie würde bald die Frau eines berühmten Mannes sein … Reich und berühmt … Doch nach drei Jahren hat er immer noch am Hungertuch genagt, und sie hatte nichts anzuziehen …«
    »Hat sie ihm deshalb Vorwürfe gemacht?«
    »Soweit ich weiß, nicht vor anderen Leuten …«
    »Hatte sie Liebhaber?«
    Nora sah jetzt Carus ins Gesicht, als sei sie auf seine Antwort wirklich gespannt.
    »Sie stellen mir da eine Frage …«
    »Warum sagst du nicht die Wahrheit?«
    Zum ersten Mal begnügte sie sich nicht mehr mit Warnsignalen unter dem Tisch.
    »Meine Frau spielt auf einen belanglosen Zwischenfall an …«
    Nora entgegnete scharf:
    »Es kommt darauf an, für wen …«
    »Eines Abends hatten wir getrunken, da …«
    »Wo war das?«
    »Im ›Raphaël‹ … Wir kamen von hier … Maki war auch dabei … Und Dramin … Dann noch ein Fotograf namens Huguet, der für eine Werbeagentur arbeitet … Ich glaube, Bob war ebenfalls mit von der Partie …
    Im Hotel habe ich Champagner und Whisky aufs Zimmer kommen lassen … Später in der Nacht musste ich mal ins Bad und kam durch unser Schlafzimmer, wo nur die Nachttischlampen gebrannt haben …
    Sophie lag auf dem Doppelbett … Ich dachte, sie fühlt sich vielleicht nicht gut, und habe mich über sie gebeugt.«
    Noras Lächeln wirkte jetzt geradezu sarkastisch.
    »Sie hat geweint … Ich hatte alle Mühe, sie zum Reden zu bringen … Sie hat mir anvertraut, dass sie todunglücklich ist und ihrem Leben ein Ende machen will …«
    »Und wie habe ich euch beide angetroffen?«
    »Ich habe sie, ohne mir etwas dabei zu denken, in die Arme genommen, wie man das eben macht bei kleinen Mädchen, die

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