Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen
Neubau Ecke Rue François-1 er und Avenue George-V gemietet, nur dreihundert Meter von hier entfernt …«
»Eine kleine Zwischenfrage: War diese Wohnung nur für Ihre Zusammenkünfte mit Sophie bestimmt, oder haben Sie sich dort auch mit anderen Frauen getroffen?«
»Eigentlich hatte ich sie für Sophie gemietet … Hier konnten wir uns schlecht zurückziehen, und zu ihr mochte ich auch nicht gehen.«
»Waren Sie nie in Abwesenheit ihres Mannes in ihrer Wohnung?«
»Ein- oder zweimal vielleicht …«
»Vor kurzem?«
»Das letzte Mal war ich vor vierzehn Tagen bei ihr … Sie hatte mich nicht angerufen, wie sie es sonst getan hat … In der Rue François-1 er habe ich sie auch nicht angetroffen. Ich habe bei ihr zu Hause angerufen, und sie hat mir gesagt, dass sie sich nicht wohl fühlt.«
»War sie krank?«
»Nein, niedergeschlagen … Francis wurde immer launischer … Mitunter sogar gewalttätig … Ihre Geduld war erschöpft, sie wollte weglaufen, irgendwohin, im erstbesten Laden eine Stelle als Verkäuferin annehmen.«
»Haben Sie ihr davon abgeraten?«
»Ich habe ihr die Adresse eines Anwalts gegeben, damit sie ihn wegen einer möglichen Scheidung konsultiert … Das wäre für beide Seiten besser gewesen.«
»War sie dazu entschlossen?«
»Sie hatte noch Bedenken … Francis tat ihr leid … Sie fühlte sich verpflichtet, so lange bei ihm auszuhalten, bis er beruflich fest im Sattel saß …«
»Hat sie mit ihm darüber gesprochen?«
»Das würde mich sehr wundern.«
»Wieso sind Sie sich dessen so sicher?«
»Weil er sich furchtbar aufgeregt hätte.«
»Ich möchte Sie nun etwas fragen, Monsieur Carus. Überlegen Sie sich Ihre Antwort gut! Wussten Sie, dass Sophie vor etwa einem Jahr schwanger war?«
Das Blut schoss ihm in den Kopf, mit zitternden Fingern drückte er seine Zigarre im Kristallaschenbecher aus.
»Ja, ich habe es gewusst …«, murmelte er und setzte sich wieder. »Aber ich sage Ihnen gleich, ja, ich schwöre bei allem, was mir heilig ist, dass ich nicht der Vater des Kindes war … Zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch kein intimes Verhältnis …
Im Übrigen war diese Schwangerschaft der Auslöser dafür, dass sie mir ihre Sorgen anvertraut hat … Ich habe gemerkt, dass sie immer unruhiger wurde … Ich habe sie zur Rede gestellt … Sie hat mir gestanden, dass sie ein Kind erwartet und Francis sehr aufgebracht sein würde.«
»Warum denn das?«
»Weil das Kind eine weitere Belastung wäre und ihn noch mehr an seiner Karriere hindern würde … Sie kamen ja so schon auf keinen grünen Zweig … Mit einem Kind … Jedenfalls war sie sich sicher, dass er ihr das nicht verzeihen würde, und hat mich deshalb um die Adresse eines Arztes oder einer Hebamme gebeten, die ihr aus der Klemme helfen könnten.«
»Haben Sie das getan?«
»Ich muss gestehen, dass ich gegen das Gesetz verstoßen habe …«
»Jetzt ist es sowieso zu spät, um das Gegenteil zu behaupten.«
»Ich habe ihr diesen Freundschaftsdienst erwiesen, weil …«
»Hat Francis denn nichts davon erfahren?«
»Nein … Er ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um zu bemerken, was um ihn herum vor sich geht, auch wenn es sich um seine eigene Frau handelt.«
Er erhob sich, wirkte unschlüssig. Wohl um seine Verlegenheit zu verbergen, holte er neue Bierflaschen aus der Bar.
Monsieur Gaston, wie man ihn vertraulich und zugleich respektvoll nannte, war ein gediegener und würdevoller Herr, der sich sehr wohl der Verantwortung bewusst war, die auf den Schultern des Portiers eines Grandhotels lastet. Schon bevor Maigret durch die Drehtür hereingekommen war, hatte er ihn erkannt und die Stirn gerunzelt, während er im Geiste die Gesichter aller Gäste an sich vorbeiziehen ließ, denen der Besuch der Polizei gelten könnte.
»Warte einen Augenblick hier, Lapointe …«
Er selbst musste sich gedulden, bis Monsieur Gaston eine alte Dame abgefertigt hatte, die sich nach der Landezeit eines Flugzeugs aus Buenos Aires erkundigte und ihm dann diskret die Hand drückte.
»Keine Sorge. Nichts Schlimmes.«
»Sobald ich Sie sehe, frage ich mich immer …«
»Wenn ich mich nicht irre, bewohnt Monsieur Carus eine Suite bei Ihnen, im vierten Stock.«
»Das stimmt … Mit Madame Carus …«
»Ist sie unter diesem Namen bei Ihnen eingetragen?«
»Nun ja, so nennen wir sie halt …«
Ein unmerkliches, vielsagendes Lächeln spielte um Monsieur Gastons Lippen.
»Ist sie oben?«
Ein kurzer Blick auf das
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