Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen
hängt es nicht an die große Glocke … Ich bin nicht einmal sicher, ob Papa Carus davon weiß. Jeder hat das Recht, sein Geld so zu investieren, wie es ihm passt, oder etwa nicht?
Ich habe Ihnen nichts verraten … Sie erzählen mir eine Geschichte, und ich antworte weder mit Ja noch mit Nein … Selbst wenn Sie wissen wollen, ob sie noch andere Lokale wie dieses hier besitzt …«
Maigret blickte ihn fragend an, und der Mann senkte bejahend die Augenlider.
»Es gibt eben Leute, die mit der Zeit gehen«, bemerkte er in leichtem Plauderton. »Es sind nicht immer diejenigen, die das Gras wachsen hören, die ihr Geld am besten anlegen … Wenn ich drei solcher Kneipen wie diese hier hätte, würde ich mich schon nach einem Jahr an die Riviera zurückziehen …
Besäße ich aber gleich ein Dutzend, darunter welche am Pigalle und auf den Champs-Élysées, ja, dann …«
7
Als Maigret ins ›Vieux-Pressoir‹ zurückkam, saß die ganze Clique an drei aneinandergestellten Tischen und war bereits beim gemeinsamen Abendessen. Carus stand auf, als er Maigret sah, und lief ihm mit seiner gewürfelten Serviette in der Hand entgegen.
»Ich hoffe doch, dass Sie uns das Vergnügen bereiten, sich uns anzuschließen …«
»Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, aber ich möchte im Augenblick lieber für mich bleiben.«
»Ist es, weil Sie sonst eventuell mit jemandem am selben Tisch sitzen, den Sie früher oder später verhaften müssen?«
Er sah ihm in die Augen.
»Es spricht doch alles dafür, dass der Mörder der armen Sophie heute Abend unter uns ist, oder? … Na gut! … Halten Sie es, wie Sie wollen … Aber ein gemeinsames Gläschen Armagnac nach dem Essen werden Sie uns doch nicht abschlagen.«
Bob hatte ihn an seinen Tisch gleich neben der Drehtür begleitet. Maigret bestellte, was Rose ihm empfohlen hatte: Muscheln und Ente mit Orangensauce.
Er sah, wie sie sich alle in zwei Reihen gegenübersaßen, wobei Carus eindeutig im Mittelpunkt war. Sein ganzes Benehmen, seine Art, sich zu geben, seine Bewegungen, seine Stimme und vor allem sein Blick wiesen ihn als einen Menschen aus, der sich seines Wertes und seiner Überlegenheit bewusst ist.
Ricain saß ihm direkt gegenüber, schien sich aber nicht besonders wohl zu fühlen und beteiligte sich nur am Gespräch, wenn er angesprochen wurde. Dramin war in Begleitung einer jungen Frau erschienen, die Maigret noch nie zu Gesicht bekommen hatte, einer recht farblosen, fast ungeschminkten und unauffällig gekleideten Person, von der er später durch Bob erfuhr, dass sie Cutterin war.
Maki verschlang Unmengen, sprach reichlich dem Alkohol zu, ließ seine Augen von einem Tischgenossen zum anderen schweifen und beantwortete alle Fragen nur mit einem Grunzen.
Der eigentliche Gesprächspartner des Produzenten war Huguet, der Fotograf. Dieser schien in Hochform und warf stolze Besitzerblicke auf den Bauch seiner sanftmütigen Freundin.
Aus der Entfernung vermochte Maigret dem Gespräch nicht zu folgen, doch einzelne Satzfetzen, Ausrufe, ein plötzlicher Wechsel des Mienenspiels verrieten ihm den Sinn des Gesagten.
»Wir werden ja sehen, wer als Nächster drankommt«, witzelte sinngemäß der Fotograf und warf dabei einen Blick zu Maigret herüber.
»Er lässt uns nicht aus den Augen … Er nimmt uns genau unter die Lupe … Nachdem er jetzt aus Francis alles herausgeholt hat, was es herauszuholen gibt, wird er sich bestimmt bald den Nächsten vorknöpfen … Wenn du weiterhin so ein fieses Gesicht aufsetzt, Dramin, dann geht’s dir an den Kragen …«
So mancher Gast, der allein am Tisch saß und sie beobachtete, beneidete sie um die ausgelassene Stimmung. Carus hatte zwei Flaschen Champagner bestellt, die in silbernen Eiskübeln standen. Bob ging hin und wieder höchstpersönlich an den Tisch, um die Champagnerkelche nachzufüllen.
Ricain trank sehr viel, mehr als alle anderen. Kein einziges Mal lächelte er über die Späße des Fotografen, die mitunter ziemlich geschmacklos waren.
»Entspann dich, Francis … Vergiss nicht, das Auge Gottes ruht auf dir!«
Das ging an Maigret. Ob wohl die anderen Abende, die sie gemeinsam verbrachten, lustiger waren?
Carus stand Huguet nach besten Kräften bei, um die Atmosphäre aufzulockern. Nora blickte mit eisiger Miene von einem zum anderen.
Im Grund herrschte an dieser Tafel eine düstere Stimmung. Alle waren verkrampft, was vielleicht zum Teil auf die Anwesenheit des Kommissars zurückzuführen war.
»Ich möchte wetten,
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