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Maigret - 70 - Maigret und der Messerstecher

Maigret - 70 - Maigret und der Messerstecher

Titel: Maigret - 70 - Maigret und der Messerstecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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d’Anjou als auch vor der Kirche und auf dem Friedhof gestanden haben.«
    Sie biss sich auf die Lippen. Sie gingen nebeneinander den Quai entlang und kamen auch an dem Haus vorbei, in dem die Batilles wohnten. Der schwarze Flor war nicht mehr da. Auf allen Stockwerken brannte Licht. Das Leben im Haus nahm wieder seinen gewohnten Gang.
    »Was wollen Sie von mir?«
    »Dass Sie mir alles sagen, was Sie über Antoine wissen. Sie standen ihm am nächsten …«
    Sie errötete heftig.
    »Wie wollen Sie das wissen?«
    »Er selbst hat es gesagt, mit seinen Worten … Er hatte einen Studienkollegen an der Sorbonne …«
    »Der Sohn der Concierge?«
    »Ja …«
    »Er war der Einzige … Mit allen anderen wurde er nicht warm. Er hatte immer das Gefühl, anders zu sein …«
    »Aber Harteau gegenüber hat er angedeutet, dass er Sie einmal heiraten möchte …«
    »Sind Sie sicher, dass er das gesagt hat?«
    »Hat er es Ihnen denn nicht gesagt?«
    »Nein … Ich wäre auch nicht einverstanden gewesen. Wir kommen aus zwei Welten …«
    »Er war vielleicht in gar keiner Welt zu Hause, außer in seiner eigenen …«
    »Seine Eltern sind übrigens …«
    »Wie lange kannten Sie sich schon?«
    »Seit ich im Café bediene. Das sind jetzt vier Monate. Es war im Winter, ich erinnere mich. Am Tag, an dem ich ihn das erste Mal gesehen habe, hat es geschneit. Er hat ein Päckchen Gitanes gekauft, wie dann jeden Tag …«
    »Wie lange hat es gedauert, bis er nach Arbeitsschluss draußen auf Sie gewartet hat?«
    »Mehr als einen Monat …«
    »Sind Sie seine Geliebte geworden?«
    »Heute ist es genau eine Woche her …«
    »Haben Sie einen Bruder?«
    »Zwei. Einer ist beim Militär, in Deutschland. Der andere arbeitet in Lyon.«
    »Sind Sie aus Lyon?«
    »Mein Vater war aus Lyon. Jetzt, wo er tot und die Familie auseinandergegangen ist, wohne ich in Paris nur mit meiner Mutter zusammen. Wir wohnen in der Rue Saint-Paul. Ich habe erst in einem Warenhaus gearbeitet, aber ich habe es nicht lange ausgehalten. Es war zu anstrengend für mich. Dann habe ich erfahren, dass sie in der Rue Saint-Louis en l’Ile eine Bedienung suchten …«
    »Hatte Antoine Feinde?«
    »Warum hätte er Feinde haben sollen?«
    »Seine Leidenschaft, an ziemlich verrufenen Orten Gespräche auf Band aufzunehmen …«
    »Da hat niemand auf ihn geachtet. Er hat friedlich in einer Ecke gesessen oder an der Theke gestanden. Zweimal hat er mich mitgenommen …«
    »Haben Sie sich jeden Abend getroffen?«
    »Er ist mich am Café abholen gekommen und hat mich dann nach Hause begleitet. Ein- oder zweimal in der Woche sind wir ins Kino gegangen …«
    »Darf ich Ihren Namen wissen?«
    »Mauricette …«
    »Mauricette, und wie noch?«
    »Gallois …«
    Sie hatten kehrtgemacht, waren langsam über den Pont Marie gegangen und standen jetzt in der Rue Saint-Paul.
    »Wir sind da. Haben Sie keine Fragen mehr?«
    »Für den Augenblick nicht. Ich danke Ihnen, Mauricette … Machen Sie’s gut!«
    Maigret seufzte und ging zur Metrostation Saint-Paul, wo er ein Taxi fand, das ihn nach wenigen Minuten vor seiner Haustür absetzte. Er versuchte, nicht mehr an seinen Fall zu denken, schaltete aus Gewohnheit den Fernseher ein, machte ihn jedoch gleich wieder aus, weil er nichts über die Rue Popincourt und die Bilderdiebe hören wollte.
    »Was überlegst du?«
    »Dass wir ins Kino gehen könnten. Es ist fast mild draußen heute Abend. Wir könnten zu Fuß bis zu den Grands Boulevards gehen …«
    Es war eine seiner sichersten Ablenkungen. Nach den ersten paar Schritten hakte sich Madame Maigret unter, und so schlenderten sie durch die Straßen, blieben immer wieder vor einem Schaufenster stehen. Sie besprachen nichts Ernsthaftes, plauderten nur, wie es gerade kam, über ein Gesicht, das ihnen auffiel, über ein Kleid, über den letzten Brief der Schwägerin.
    Maigret hatte Lust auf einen Western, und sie mussten bis zur Porte Saint-Denis gehen, um einen zu finden. In der Pause gönnte er sich einen Calvados, seine Frau begnügte sich mit einem Kräutertee.
    Um Mitternacht gingen in ihrer Wohnung die Lichter aus. Am folgenden Tag, einem Samstag, war der 22. März. Maigret hatte am Freitag nicht daran gedacht, dass dem Kalender nach Frühlingsanfang war, obwohl sich das Wetter doch pünktlich auf Frühling eingestellt hatte. Er sah im Geiste wieder die Morgensonne am Quai d’Anjou, vor dem Haus der Familie Batille.
    Um neun Uhr rief Untersuchungsrichter Poiret an.
    »Gibt’s was Neues, Monsieur

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