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Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes

Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes

Titel: Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Spur von Verlegenheit. Die Hände in den Taschen, pflanzte er sich vor den beiden Beamten auf, sah ihnen direkt in die Augen und wartete, während ein geradezu erfreutes Lächeln um seine Lippen spielte.
    »Man beschuldigt Sie der Zechprellerei …«
    Er nickte zustimmend, wollte sich eine Zigarette anzünden. Der Polizeikommissar riß sie ihm wütend aus der Hand.
    »Was haben Sie zu sagen?«
    »Nichts …«
    »Haben Sie einen festen Wohnsitz, verfügen Sie über irgendwelche Einkünfte?«
    Der Mann zog einen abgegriffenen Paß hervor, legte ihn auf den Schreibtisch.
    »Sie wissen, daß Sie vierzehn Tage Gefängnis riskieren?«
    »Bedingt«, verbesserte ihn Radek ungerührt. »Sie werden feststellen, daß ich nicht vorbestraft bin.«
    »Hier steht, Sie seien Medizinstudent. Stimmt das?«
    »Professor Grollet, der Ihnen nicht unbekannt sein dürfte, wird Ihnen bestätigen, daß ich sein bester Schüler war …«
    Und zu Maigret gewandt, mit einem spöttischen Unterton in der Stimme:
    »Ich nehme an, Sie sind auch von der Polizei, Monsieur …?«

6
    Die Herberge in Nandy
    Madame Maigret seufzte, sagte aber nichts, als ihr Gatte schon um sieben Uhr früh die Wohnung verließ, nachdem er seinen Kaffee hinuntergestürzt hatte, ohne zu merken, wie kochend heiß er war.
    Um ein Uhr morgens war er schweigsam nach Hause gekommen. Mit verschlossenem Gesicht ging er wieder weg.
    Auf dem Weg durch die Korridore des Präsidiums spürte er deutlich die Neugier in den Gesichtern der Kollegen, der Inspektoren und sogar der Bürodiener – eine Neugier, gepaart mit Bewunderung, vielleicht auch mit einer Spur von Mitleid.
    Dennoch schüttelte er den anderen die Hände, wie er seine Frau auf die Stirn geküßt hatte, machte sich in seinem Büro sogleich daran, das Feuer im Ofen zu schüren, und breitete seinen regennassen Mantel über zwei Stühle.
    Dann griff er zum Hörer und ließ sich, gemächlich an seiner Pfeife ziehend, mit dem Polizeirevier von Montparnasse verbinden.
    Mit der freien Hand ordnete er mechanisch die Schriftstücke, die sich auf seinem Schreibtisch häuften.
    »Hallo! … Wer ist am Apparat? … Der Wachtmeister vom Dienst? … Hier Kommissar Maigret von der Kriminalpolizei … Ist Radek wieder auf freiem Fuß? … Wie bitte? Seit einer Stunde? … Und haben Sie aufgepaßt, daß Inspektor Janvier ihm rechtzeitig gefolgt ist? … Hallo! … Nicht geschlafen, wie? Hat eine ganze Schachtel Zigaretten leergeraucht? … Danke, nein, das ist nicht notwendig. Falls ich weitere Auskünfte brauche, komme ich selber vorbei …«
    Er zog den Paß des Tschechen, den er an sich genommen hatte, aus der Brusttasche, ein kleines, hellgraues, mit dem Wappen der Tschechoslowakei verziertes Heft. Fast jede Seite war voll mit Stempeln und Visa.
    Johann Radek, fünfundzwanzigjährig, geboren in Brünn, Vater unbekannt, hatte sich – wie aus den Visa hervorging – in Berlin, Mainz, Bonn, Turin und Hamburg aufgehalten.
    Dem Ausweis zufolge war er Student der Medizin. Seine vor zwei Jahren verstorbene Mutter, Elisabeth Radek, hatte als Dienstmädchen gearbeitet.
    »Wovon lebst du?« hatte Maigret ihn am vergangenen Abend im Büro des Kommissars von Montparnasse gefragt.
    Und der Mann hatte mit seinem herausfordernden Lächeln erwidert:
    »Muß ich Sie auch duzen?«
    »Antworten Sie!«
    »Solange meine Mutter noch lebte, schickte sie mir Geld für mein Studium …«
    »Von ihrem Dienstmädchengehalt?«
    »Gewiß. Ich bin ihr einziger Sohn. Für mich hätte sie ihr letztes Hemd weggegeben. Wundert Sie das?«
    »Sie starb vor zwei Jahren. Und seither?«
    »Entfernte Verwandte schicken mir hin und wieder ein paar Francs. Und hier in Paris habe ich Landsleute, die mir gelegentlich unter die Arme greifen. Manchmal übernehme ich auch Übersetzungen …«
    »Und Aufträge für den Sifflet ?«
    »Ich verstehe nicht!«
    Der Hohn in seiner Stimme bedeutete soviel wie:
    ›Nur zu, meine Herren! Mir könnt ihr nichts anhängen!‹
    Darauf hatte Maigret es vorgezogen, das Polizeirevier zu verlassen. Von Joseph Heurtin und Wachtmeister Lucas war weit und breit nichts zu sehen. Wieder einmal waren sie, der eine auf den Fersen des andern, in Paris untergetaucht.
    »Zum ›Hôtel George-V‹!« befahl der Kommissar einem Taxichauffeur.
    Er betrat die Hotelhalle genau in dem Augenblick, da William Crosby im Smoking einen Hundert-Dollar-Schein am Empfangsschalter wechselte.
    »Wollten Sie mich besuchen?« fragte er, als er den Kommissar

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