Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes
Bürodiener.
»Hör zu, Jean! Sobald ich weg bin, rufst du Richter Coméliau an und sagst ihm … äh! … Sagst ihm, es sei alles in Ordnung, und ich würde ihn auf dem laufenden halten, kapiert? … Sag es freundlich … mit dem ganzen höflichen Drum und Dran …«
Um elf Uhr stieg er vor dem Coupole aus dem Taxi. Der erste, den er beim Eintreten erblickte, war Inspektor Janvier, der einen typischen Anfängerfehler machte: Er versuchte sich besonders geschickt hinter einer aufgeschlagenen Zeitung zu tarnen, vergaß dabei jedoch die Seiten umzublättern.
In der gegenüberliegenden Ecke saß, zerstreut in seiner Kaffeetasse rührend, Johann Radek.
Er war frisch rasiert, trug ein sauberes Hemd, und sein Lockenschopf sah aus, als wäre er mit einem Kamm in Berührung gekommen.
Vor allem aber schien er innerlich zu jubeln.
Der Barmann hatte Maigret wiedererkannt, begann ihm bedeutsam zuzublinzeln. Und Janvier schnitt hinter seiner Zeitung heftig Grimassen.
Radek durchkreuzte alle diese Manöver, indem er Maigret zurief:
»Trinken Sie ein Glas mit mir?«
Er hatte sich halb erhoben. Er lächelte schwach, doch in seinem Gesicht gab es keinen Zug, der nicht schärfste Wachsamkeit verraten hätte.
Breit und wuchtig trat Maigret näher, ergriff einen Stuhl, der unter seiner Faust zu zerbrechen schien, und ließ sich darauf nieder.
»Schon wieder da?« bemerkte er, ohne sein Gegenüber anzusehen.
»Die Herren waren sehr nett. Offenbar wird man mich in den nächsten zwei Wochen noch nicht vor den Kadi zitieren, da er total ausgebucht ist … Aber für Café crème ist es jetzt zu spät … Wie wäre es denn mit einem Gläschen Wodka und ein paar Kaviarbrötchen? … Barmann! …«
Der Barkellner war puterrot im Gesicht. Es war offensichtlich, daß er nicht wußte, wie er reagieren sollte.
»Nun, da ich mich in Gesellschaft befinde, brauche ich doch wohl nicht mehr im voraus zu bezahlen …«, fuhr Radek fort.
Erklärend wandte er sich an Maigret:
»Die sind hier ganz einfach doof. Stellen Sie sich vor, er wollte mich erst gar nicht bedienen! Er hat schnurstracks und ohne ein Wort zu sagen den Geschäftsführer geholt. Ich wurde aufgefordert, das Lokal zu verlassen. Ich mußte das Geld auf den Tisch legen … Finden Sie das nicht komisch?«
Er sprach ernst, fast sinnend.
»Aber natürlich, wenn ich irgendein Depp wäre, so ein Gigolo von der Sorte, wie Sie sie gestern hier sehen konnten, würde man mir jeden erdenklichen Kredit gewähren … Leider bin ich nur ein einigermaßen kultivierter Mensch … Und das ist ein Unterschied, nicht wahr? Darüber möchte ich mich einmal mit Ihnen unterhalten, Kommissar … Sie werden mich vielleicht nicht ganz verstehen. Aber für mich zählen Sie immerhin schon zu den intelligenten Menschen …«
Der Barmann brachte die Kaviarbrötchen an den Tisch, sagte mit einem Seitenblick auf Maigret:
»Sechzig Franc.«
Radek grinste. Janvier saß immer noch in seiner Ecke und lugte hinter seiner Zeitung hervor.
»Und eine Schachtel Abdullah«, ließ sich der Tscheche vernehmen.
Während er auf die Zigaretten wartete, zog er aus einer Außentasche seines Jacketts weithin sichtbar einen zerknitterten Tausend-Franc-Schein und warf ihn auf den Tisch.
»Worüber sprachen wir eben, Kommissar? … Sie gestatten? … Mir fällt gerade ein, daß ich meinen Schneider anrufen muß …«
Das Telefon befand sich im Hintergrund der Brasserie, und diese hatte mehrere Ausgänge.
Maigret blieb reglos sitzen. Es war Janvier, der sich von selbst erhob und dem Mann in einem gewissen Abstand folgte.
Und beide kehrten zurück, wie sie gegangen waren, einer hinter dem andern. Janviers Augen bestätigten dem Kommissar, daß Radek tatsächlich mit seinem Schneider telefoniert hatte.
7
Der Gartenzwerg
Darf ich Ihnen einen nützlichen Tip geben, Kommissar?«
Radek hatte die Stimme gesenkt, beugte sich über den Tisch.
»Natürlich weiß ich im voraus, was Sie davon halten werden. Das ist mir aber vollkommen egal, sehen Sie! … Meinen Tip, oder meinen Rat, wenn Sie das lieber hören, können Sie trotzdem haben … Lassen Sie die Finger von der Sache! Sie sind im Begriff, einen fürchterlichen Schlamassel anzurichten …«
Maigret starrte unbewegt vor sich hin.
»Und Sie werden sich immer mehr verheddern, weil Sie nichts, aber auch gar nichts begriffen haben …«
Der Tscheche begann sich zu ereifern, wenn auch auf seine besondere, unergründliche Art. Maigret beobachtete seine Hände. Sie
Weitere Kostenlose Bücher