Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes

Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes

Titel: Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
später haben wir die beiden in den ersten Stock hinaufgehen sehen. Als der Wirt runterkam, ging ich hinein. Ich fragte ihn rundheraus, ob er Zimmer vermiete.
    ›Wieso? Stimmt etwas nicht mit ihm?‹ wollte er gleich wissen.
    Der Mensch hat offenbar häufig mit der Polizei zu tun. Ich konnte mir eine Ausrede ersparen und hab ihn lieber ein bißchen eingeschüchtert. Ein Wort zu dem Gast, sagte ich, und sein Lokal würde geschlossen.
    Er kennt ihn nicht … Ich bin sicher! … Die Gäste des Hauses sind hauptsächlich Flußschiffer und Arbeiter aus der nahen Fabrik, die mittags ihren Aperitif trinken kommen …
    Heurtin soll sich in seinem Zimmer sofort auf das Bett geworfen haben, ohne auch nur die Schuhe auszuziehen. Der Wirt hat ihn drauf aufmerksam gemacht, und da hat er sie auf den Boden fallen lassen und ist auf der Stelle eingeschlafen.«
    »Ist Janvier dageblieben?« fragte Maigret.
    »Er ist jetzt dort. Man kann ihn anrufen, das Citanguette hat Telefon wegen der Schiffer, die sich oft bei ihren Auftraggebern melden müssen …«
    Der Kommissar nahm den Hörer von der Gabel. Wenige Augenblicke später hatte er Janvier am Draht.
    »Hallo! Was macht unser Mann?«
    »Er schläft …«
    »Und hast du keine verdächtige Person bemerkt?«
    »Nichts! Totenstille … Von der Treppe aus kann man ihn schnarchen hören.«
    Maigret legte auf, musterte Dufours zierliche Gestalt von Kopf bis Fuß.
    »Du läßt ihn nicht aus den Fingern, ja?« bemerkte er.
    Der Inspektor wollte protestieren. Doch der Kommissar legte ihm die Hand auf die Schulter und fuhr fort:
    »Hör zu, mein Lieber! Ich weiß, du wirst dein möglichstes tun. Aber ich setze meine Stellung aufs Spiel! Und noch einiges mehr … Andererseits kann ich nicht selber hingehen, weil der Kerl mich kennt …«
    »Ich schwör Ihnen, Kommissar …«
    »Schwör nicht! Geh!«
    Und mit einer schroffen Geste stieß er die Dokumente in die Aktenmappe zurück und ließ diese in eine Schublade fallen.
    »Und hab vor allem keine Hemmungen, Leute anzufordern, falls du welche brauchst …«
    Joseph Heurtins Foto war auf dem Schreibtisch liegengeblieben. Maigret starrte auf seinen knochigen Schädel mit den abstehenden Ohren und den langgezogenen, farblosen Lippen.
    Drei Gerichtsmediziner hatten den Mann untersucht. Zwei hatten erklärt:
    Mittelmäßige Intelligenz. Voll zurechnungsfähig.
    Der dritte hatte sich im Auftrag der Verteidigung mit der zaghaften Diagnose hervorgewagt:
    Vielfach erblich belastet. Vermindert zurechnungsfähig.
    Und Maigret, der Joseph Heurtin verhaftet hatte, hatte dem Polizeichef, dem Staatsanwalt und dem Untersuchungsrichter versichert:
    »Er ist entweder verrückt oder unschuldig!«
    Und das gedenke er zu beweisen, hatte er hinzugefügt.
    Er hörte, wie Inspektor Dufour sich federnden Schrittes durch den Korridor entfernte.

2
    Der Schläfer
    Es war elf Uhr, als Maigret – nach einer kurzen Unterredung mit Richter Coméliau, der sich nicht beruhigen konnte – in Auteuil ankam.
    Das Wetter war trüb, das Straßenpflaster schmutzig, der Himmel hing niedrig über den Dächern. Längs des Quais, dem der Kommissar folgte, reihten sich die Häuser reicher Leute, während die Gegend jenseits des Flusses schon nach Vorort aussah: Fabriken, Brachen, Laderampen, die unter Bergen von Baumaterial verschwanden. Und dazwischen lag die Seine, grau wie Blei, aufgewühlt von den flußauf- und -abwärts tuckernden Lastkähnen.
    Das ›Citanguette‹ war selbst aus dieser Entfernung unschwer auszumachen, denn das Haus stand mutterseelenallein auf einem Gelände, wo alles mögliche umherlag: Backsteinhaufen, Autowracks, Dachpappe und sogar Eisenbahnschienen.
    Ein einstöckiges, in einem häßlichen Rot getünchtes Gebäude, davor eine Terrasse mit drei Tischen und dem üblichen Sonnendach, das die Aufschrift ›Wein – Imbiß‹ trug.
    Man konnte ein paar Dockarbeiter erkennen, die offenbar Zement ausluden, denn sie waren weiß von Kopf bis Fuß. Eben verabschiedeten sie sich vor der Tür von einem Mann in blauer Schürze, dem Wirt des Bistros, dann schlenderten sie gemächlich auf einen Lastkahn zu, der am Ufer festgemacht war.
    Maigret sah müde aus, seine Augen waren verschleiert, doch das lag nicht an der schlaflosen Nacht, die er hinter sich hatte.
    Es kam häufig vor, daß er, sobald ein hartnäckig verfolgtes Ziel mit einem Mal in greifbare Nähe rückte, sich derart gehenließ und schlaff wurde.
    Es war wie ein Ekel, gegen den er nicht ankam.
    Er erblickte

Weitere Kostenlose Bücher