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Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien

Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien

Titel: Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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soviel Konzentration, als gälte es, sich selber vorzumachen, daß er sich einer nützlichen Beschäftigung widme.
    Von Zeit zu Zeit jedoch verweilte sein Blick mit einem Anflug von Bitterkeit auf den vor ihm ausgebreiteten Fotografien, und seine Hand mit dem Federhalter erstarrte in der Luft, indessen seine Zähne sich in den Pfeifenstiel gruben.
    Gerade hatte er sich zu dem Entschluß durchgerungen, heimzukehren und seine Nachforschungen erst am folgenden Tag weiterzuführen, als ihm ein Anruf aus Reims gemeldet wurde.
    Es war im Zusammenhang mit dem in den Zeitungen veröffentlichten Foto. Der Wirt des Café de Paris in der Rue Carnot behauptete, den Mann sechs Tage zuvor in seinem Lokal gesehen zu haben und sich seiner deshalb zu erinnern, weil er dem schon betrunkenen Gast schließlich die Bedienung habe verweigern müssen.
    Maigret wurde nachdenklich. Zum zweiten Mal war die Rede von Reims, woher auch die Schuhe des Toten stammten. Diese sehr abgenutzten Schuhe mußten aber vor Monaten gekauft worden sein, was bedeutete, daß Louis Jeunet sich nicht zufällig in dieser Stadt aufgehalten hatte.
    Eine Stunde später saß der Kommissar im Eilzug nach Reims, wo er um zehn Uhr abends ankam. Das recht prunkhaft ausgestattete Café de Paris war voller Leute des gehobenen Mittelstandes. An drei Billardtischen wurde gespielt und an vielen anderen Tischen saßen Kartenspieler.
    Es war das traditionelle französische Provinzcafé, dessen Gäste beim Eintritt der Kassiererin die Hand schütteln und von den Kellnern vertraulich mit dem Namen angeredet werden, dessen Kundschaft sich aus den Mitgliedern der gehobenen Gesellschaft und Vertretern des Handels zusammensetzt.
    Hier und da, über den Raum verteilt, sah man die großen, vernickelten Kugeln, die zum Aufbewahren der Putzlappen dienen.
    »Ich bin der Kommissar, mit dem Sie vorhin telefoniert haben.«
    Der Wirt stand bei der Theke, wo er zugleich das Personal beaufsichtigte und den Billardspielern Ratschläge erteilte.
    »Ach so, ja … Nun, ich habe Ihnen alles gesagt, was ich darüber weiß …«
    Er senkte die Stimme, ein wenig verlegen:
    »Sehen Sie, dort in der Ecke beim dritten Billardtisch hat er gesessen und einen Kognak bestellt, dann noch einen, und einen dritten. Es war ungefähr um diese Zeit. Die anderen Gäste haben ihn schief angesehen, weil – tja, wie soll ich sagen? – weil er eben nicht so ganz hierher paßte.«
    »Hatte er Gepäck bei sich?«
    »Einen alten Koffer mit kaputtem Schloß. Ich erinnere mich noch, daß der Koffer ihm beim Hinausgehen aufklappte und alte Klamotten herausfielen. Er hat sich sogar noch eine Schnur geben lassen, um ihn wieder zuzuschnüren.«
    »Hat er mit jemand gesprochen?«
    Der Wirt blickte hin zu einem der Billardspieler, einem hochgewachsenen, schlanken jungen Mann in eleganter Kleidung, der allem Anschein nach einer dieser versierten Spieler war, deren Karambolagen dem Amateur imponieren.
    »Nicht direkt … Wollen Sie nicht etwas trinken? Dann könnten wir uns setzen … Hier, bitte!«
    Er wählte einen abseits gelegenen Tisch, auf dem die Tabletts standen.
    »Gegen Mitternacht war er so weiß wie der Marmor hier … Er mochte so um die acht oder neun Gläser Kognak getrunken haben. Seine Augen hatten einen starren Ausdruck, der mir nicht gefiel. Auf manch einen wirkt der Alkohol so. Sie regen sich nicht auf, faseln kein dummes Zeug, sondern kippen ganz einfach plötzlich um … Er ist allen aufgefallen. Ich bin dann hingegangen und habe ihm gesagt, daß ich ihm nichts mehr zu trinken geben könne; er hat auch nicht protestiert.«
    »Waren noch Billardspieler da?«
    »Ja, die dort am dritten Tisch. Das sind Stammgäste, die jeden Abend herkommen und Wettbewerbe veranstalten. Sie gehören zu einem Klub … Der Mann ist aufgestanden und zur Tür gegangen, dabei ist ihm die Sache mit dem Koffer passiert. Ich weiß nicht, wie er es fertiggebracht hat, die Schnur zu knoten, in dem Zustand! Eine halbe Stunde später habe ich das Lokal geschlossen. Die Herren haben sich von mir verabschiedet und sind gegangen. Jemand hat noch gesagt:
    ›Wir werden ihn wohl irgendwo in der Gosse wiederfinden!‹«
    Abermals ruhte der Blick des Wirts auf dem elegant gekleideten Spieler mit den weißen, gepflegten Händen, der tadellosen Krawatte, den Lackschuhen, die bei jedem Schritt um den Billardtisch knirschten.
    »Ich kann Ihnen eigentlich ebensogut alles erzählen … obwohl es sich zweifellos um einen Zufall oder Irrtum handelt …

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