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Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien

Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien

Titel: Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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hab den ganzen Abend auf Sie gewartet.«
    »Sind Sie mit dem Zug gekommen?«
    »Nein. Ich bin geflogen. Ich reise fast immer im Flugzeug, wie die meisten Geschäftsleute. In Paris bekam ich plötzlich Lust, meinen alten Freund Belloir aufzusuchen. Wir haben zusammen studiert.«
    »In Lüttich?«
    »Ja. Es ist jetzt an die zehn Jahre her, daß wir uns nicht mehr gesehen haben. Ich wußte nicht mal, daß er verheiratet ist! Zu komisch, ihn als Vater eines strammen Jungen wiederzusehen! … Und Sie sind immer noch mit Ihrem Selbstmörder beschäftigt?«
    Derweil hatte Belloir dem Mädchen geläutet und ihr aufgetragen, Kognak und Gläser zu bringen. Und jede seiner betont langsam ausgeführten, kontrollierten Gesten verriet eine verhaltene Unruhe.
    »Wir haben gerade erst mit den Ermittlungen begonnen«, murmelte Maigret leichthin. »Es ist nicht abzusehen, ob sie lange dauern oder in ein paar Tagen abgeschlossen sein werden.«
    Es klingelte an der Haustür, und die drei Männer tauschten verstohlene Blicke. Auf der Treppe wurden Stimmen laut. Ein Mann mit starkem belgischem Akzent sagte:
    »Sind sie schon alle oben? … Lassen Sie nur, ich kenne den Weg!«
    Von der Tür her rief er:
    »Tag, alle Mann!«
    Doch der Gruß fiel in ein unnatürliches Schweigen. Er ließ die Augen durch den Raum schweifen, entdeckte Maigret und sah die Freunde fragend an.
    »Ihr … habt auf mich gewartet?«
    Belloirs Gesicht verkrampfte sich. Er machte einen Schritt auf den Kommissar zu.
    »Jef Lombard, ein Freund«, erklärte er gezwungen.
    Und darauf, jede Silbe einzeln hervorhebend:
    »Kommissar Maigret von der Kriminalpolizei …«
    Der Neuankömmling fuhr zusammen, stammelte gedankenlos, mit einer komisch anmutenden Betonung der Worte:
    »Oh, fein … Sehr gut!«
    Worauf er dem Dienstmädchen verwirrt seinen Mantel reichte und ihr dann noch einmal nachlief, um die Zigaretten aus der Manteltasche zu holen.
     
    »Noch ein Belgier, Herr Kommissar! Sie sind hier in ein richtiges Belgiertreffen geraten. Eine Verschwörung, werden Sie denken … Und wo bleibt der Kognak, Belloir? Eine Zigarre, Herr Kommissar? … Jef Lombard ist der einzige, der noch in Lüttich wohnt … Zufällig haben wir alle geschäftlich in derselben Gegend zu tun und haben daher beschlossen, die Gelegenheit mit einem Festschmaus zu feiern. Wenn ich mir erlauben dürfte …«
    Ein wenig unsicher sah er die anderen an.
    »Sie haben das Abendessen versäumt, zu dem ich Sie in Bremen einladen wollte … Kommen Sie doch dafür nachher mit uns essen!«
    »Ich habe leider schon etwas vor«, erwiderte Maigret. »Außerdem möchte ich Sie nicht länger von Ihren Geschäften abhalten.«
    Jef Lombard war an den Tisch getreten. Er war lang und mager, hatte schlaksige Gliedmaßen, unregelmäßige Züge und einen blassen Teint.
    »Ach, da ist ja das Bild, das ich suchte!« sagte der Kommissar wie zu sich selbst. »Ich werde Sie gar nicht erst fragen, ob Sie den Mann kennen, Monsieur Lombard, denn das wäre ein zu unwahrscheinlicher Zufall …«
    Er hielt ihm aber trotzdem die Fotografie unter die Nase und sah den Adamsapfel des Lüttichers stärker hervortreten, eine eigenartig hüpfende Bewegung ausführen.
    »Kenn ich nicht …« brachte Lombard endlich mit heiserer Stimme hervor.
    Belloirs Fingerspitzen mit ihren manikürten Nägeln trommelten auf der Schreibtischplatte herum. Joseph van Damme suchte nach einer passenden Bemerkung.
    »Dann sehen wir uns also nicht mehr, Herr Kommissar? Fahren Sie zurück nach Paris?«
    »Ich bin noch nicht sicher … Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, meine Herren …«
    Und da van Damme ihm die Hand reichte, waren die anderen gezwungen, dasselbe zu tun. Belloirs Rechte fühlte sich hart und trocken an. Der Bärtige streckte seine nur zögernd hin. Jef Lombard aber war in einer Ecke des Arbeitszimmers im Begriff, sich eine Zigarette anzustecken und begnügte sich mit einem Murmeln und Kopfnicken.
    Maigret ging vorbei an der aus einem riesigen Porzellangefäß ragenden Zierpflanze, stapfte wieder über den Teppich mit den Kupferstangen. Im Flur schlugen die schrillen Töne einer stümperhaft gehandhabten Geige an sein Ohr, zusammen mit der Stimme einer Frau, die mahnte:
    »Nicht so schnell! Den Ellbogen auf Kinnhöhe … Langsam!«
    Es war Madame Belloir mit ihrem Sohn. Von der Straße aus konnte er sie hinter der Wohnzimmergardine erkennen.
     
    Um zwei Uhr, als Maigret eben sein Mittagessen im Café de Paris beendete, sah er van Damme

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