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Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien

Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien

Titel: Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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    »Na, sowas! Das nenn ich einen Zufall, Sie hier wiederzusehen!« – und streckte Maigret die Hand entgegen.
    Der Dritte schwieg, verfolgte den Auftritt mit verständnislosem Blick.
    »Entschuldigen Sie die Störung«, begann der Kommissar, »ich dachte nicht, so früh morgens schon eine Sitzung zu unterbrechen …«
    »Aber woher denn? Sie unterbrechen uns ganz und gar nicht!« protestierte van Damme. »Nehmen Sie doch Platz! Eine Zigarre?«
    Auf dem Schreibtisch aus Mahagoni stand eine Kiste, deren Deckel der Geschäftsmann eifrig aufhob, um eigenhändig und ohne seinen Redeschwall zu unterbrechen eine Havanna herauszusuchen.
    »Moment, mein Feuerzeug steckt irgendwo … Ich hoffe, Sie werden mich nicht anzeigen, weil sie unverzollt sind! … Warum haben Sie mir nur in Bremen nicht gesagt, daß Sie Belloir kennen? Wenn ich denke, daß wir die Reise gemeinsam hätten machen können! Ich bin wenige Stunden nach Ihnen losgefahren … Wurde telegrafisch eines Geschäfts wegen nach Paris gerufen und hab die Gelegenheit wahrgenommen, um Belloir Guten Tag zu sagen.«
    Dieser jedoch verlor nichts von seiner steifen Haltung, blickte vom einen zum anderen, als erwarte er eine Erklärung. Es war denn auch Belloir, dem der Kommissar sich mit den Worten zuwandte:
    »Ich werde mich so kurz wie möglich fassen, da Sie Besuch erwarten.«
    »Ich? … Wie kommen Sie darauf?«
    »Sehr einfach. Ihre Hausangestellte sagte, ich würde erwartet. Da Sie mich aber nicht erwarten konnten, liegt es auf der Hand, daß …«
    Er verzog keine Miene, nur seine Augen lachten unwillkürlich.
    »Kommissar Maigret, von der Kriminalpolizei! Sie haben mich vielleicht gestern abend im Café de Paris bemerkt, wo ich gewisse Auskünfte im Zusammenhang mit einem von uns bearbeiteten Fall einholen wollte.«
    »Doch wohl nicht die Bremer Geschichte?« fragte van Damme mit gespielter Nachlässigkeit.
    »Doch, allerdings … Dürfte ich Sie, Monsieur Belloir, wohl bitten, sich dies Foto anzusehen und mir zu sagen, ob es sich um denselben Mann handelt, der vergangene Woche nachts bei Ihnen war?«
    Er reichte ihm das Bild des Toten. Belloir nahm es, ohne jedoch einen Blick darauf zu werfen, oder, genauer, ohne den Blick darauf verweilen zu lassen.
    »Der Mensch ist mir nicht bekannt!« erklärte er und gab Maigret das Foto zurück.
    »Sind Sie sicher, daß es nicht derselbe Mann ist, der Sie angesprochen hat, als Sie aus dem Café de Paris kamen?«
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen …«
    »Entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen lästig falle, aber … Ich habe mir erlaubt, Sie mit der Bitte um eine Auskunft, die übrigens nicht einmal sonderlich belangreich ist, zu behelligen, weil ich überzeugt war, Sie würden nicht zögern, der Gerechtigkeit einen Dienst zu erweisen. Am bewußten Abend hat in der Nähe des dritten Billardtisches, an dem Sie Ihre Partie austrugen, ein Betrunkener gesessen, der allen Gästen aufgefallen ist. Er hat kurz vor Ihnen das Lokal verlassen und Sie dann, nachdem Sie sich von Ihren Freunden verabschiedet hatten, angesprochen.«
    »Ich glaube, ich erinnere mich jetzt … Er hat mich um Feuer gebeten.«
    »Und Sie haben ihn zu sich nach Hause genommen, stimmt’s?«
    Belloirs Lippen kräuselten sich geringschätzig.
    »Ich möchte wissen, wer Ihnen dies Märchen aufgetischt hat! Es ist ganz und gar nicht meine Art, Landstreicher aufzulesen.«
    »Es hätte sich um einen alten Freund handeln können, oder …«
    »Ich bin etwas wählerischer in meinem Umgang.«
    »Also sind Sie allein heimgekehrt?«
    »Selbstverständlich!«
    »War es der Mann, dessen Bild ich Ihnen eben gezeigt habe?«
    »Das kann ich nicht sagen … Ich habe ihn gar nicht angesehen.«
    Van Damme hatte mit sichtlicher Ungeduld zugehört und wiederholt zu einer Bemerkung angesetzt. Der dritte Mann sah aus dem Fenster, wischte ab und zu über die Scheibe, die sein Atem beschlagen hatte. Er hatte einen kurzen, dunklen Bart und trug die auch heute noch von gewissen Künstlern bevorzugte schwarze Kleidung.
    »Dann bleibt mir nichts weiter übrig, als mich bei Ihnen zu bedanken, Monsieur Belloir, und Sie nochmals zu bitten, die Störung zu entschuldigen …«
    »Moment, Herr Kommissar!« warf Joseph van Damme ein. »Sie werden doch nicht einfach so davonlaufen. Bitte, leisten Sie uns noch ein wenig Gesellschaft! Belloir wird uns einen alten Kognak aus seinem Vorrat spendieren … Ich bin Ihnen übrigens böse, daß Sie in Bremen nicht mit mir zu Abend gegessen haben. Ich

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