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Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien

Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien

Titel: Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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herbei.
    »Jemand ist kurz vor mir hier gewesen und hat nach diesem Band gefragt, stimmt’s?«
    »Ja … Er ist nur fünf Minuten geblieben.«
    »Sind Sie aus Lüttich? Erinnern Sie sich, was in jenem Jahr geschehen sein könnte?«
    »Ich muß mal überlegen … Zehn Jahre … Das wäre das Jahr, in dem meine Schwägerin gestorben ist … Ich weiß! Da hatten wir die große Überschwemmung! Die Beerdigung mußte um acht Tage verschoben werden, weil man die Straßen in der Nähe der Maas nur noch mit dem Boot befahren konnte … Lesen Sie doch die Artikel! Der König und die Königin zu Besuch bei den Überschwemmungsopfern … Da sind auch Fotos … Na, so etwas! Da fehlt ja eine Nummer! … Wie merkwürdig! Das muß ich aber dem Verlagsleiter melden …«
    Maigret bückte sich nach einem Schnipsel Zeitungspapier, der zu Boden gefallen war, als Joseph van Damme – wer sonst? – die Blätter der Ausgabe vom fünfzehnten Februar herausgerissen hatte.

7
    Die drei
    In Lüttich gibt es vier Tageszeitungen. Maigret benötigte zwei Stunden dazu, all die Redaktionen abzuklappern, und wie erwartet, fehlte überall eine Nummer im Archiv: die des fünfzehnten Februar.
    In einem Straßenquadrat, Carré genannt, wo sich all die besten Geschäfte, großen Brasserien, Kinos und Tanzbars befinden, herrschte reges Treiben.
    Hier trifft sich alle Welt, und auch der Kommissar erblickte Joseph van Damme mindestens dreimal, wie er, den Spazierstock schwenkend, dort auf- und abpromenierte.
    Ins Hôtel du Chemin de Fer zurückgekehrt, fand Maigret zwei Botschaften vor. Erst einmal ein Telegramm von Lucas, dem er vor seiner Abreise noch einige Aufträge erteilt hatte.
     
    Haben Asche im Ofen Louis Jeunets Zimmer Rue Roquette entdeckt – Stop – Sachverständigenuntersuchung ergibt Reste belgischer und französischer Banknoten – Stop – Menge läßt große Summe vermuten – Stop
     
    Dann einen Brief, den ein Dienstmann beim Hotel abgegeben hatte. Er war mit der Maschine geschrieben, auf neutralem Papier von der Sorte, wie es in Büros für Durchschläge benutzt wird, und lautete folgendermaßen:
     
    Sehr geehrter Herr Kommissar!
    Ich erlaube mir, Ihnen mitzuteilen, daß ich gewillt bin, Ihnen all die Ihren gegenwärtigen Ermittlungen dienlichen Auskünfte zu erteilen.
    Da die Umstände mich zur Vorsicht zwingen, wäre ich Ihnen verpflichtet, wenn Sie – falls mein Vorschlag Sie interessiert – heute abend gegen elf Uhr ins Café de la Bourse hinter dem Théâtre Royal kommen könnten.
    In dieser Erwartung verbleibe ich mit vorzüglicher Hochachtung …
     
    Keine Unterschrift, statt dessen die in einem Schreiben dieser Art eher ungewöhnlich anmutenden formelhaften Redewendungen des Geschäftslebens wie: Ich erlaube mir, Ihnen mitzuteilen …, wäre ich Ihnen verpflichtet …, falls mein Vorschlag Sie interessiert …, in dieser Erwartung …, mit vorzüglicher Hochachtung …
    Während Maigret allein zu Abend aß, wurde ihm bewußt, daß seine Gedanken fast unmerklich eine neue Richtung eingeschlagen hatten. Er dachte weniger an Jean Lecocq d’Arneville, alias Louis Jeunet, der sich in einem Bremer Hotelzimmer erschossen hatte.
    Dafür hörten Jef Lombards Kunstwerke nicht auf, ihn zu verfolgen; diese Gehängten, die allerorts aufgeknüpft waren, am Kreuz einer Kirchturmspitze, an den Bäumen eines Waldes, am Nagel in einer Mansarde.
    Gehängte, mal grotesk, mal schaurig dargestellt, mit dunkelroten oder bleichen Gesichtern und nach der Mode aller Zeiten gekleidet.
    Um halb elf machte er sich auf den Weg zum Stadttheater und stieß fünf Minuten vor elf die Tür des Café de la Bourse auf. Ein bescheidenes, ruhiges Lokal, dessen Kundschaft sich aus Stammgästen und vor allem aus Kartenspielern zusammensetzte.
    Dort erwartete ihn eine Überraschung: An einem Ecktisch bei der Theke saßen drei Männer, und zwar Maurice Belloir, Jef Lombard und Joseph van Damme. Einen Augenblick lang, während der Kellner dem Kommissar aus dem Mantel half, herrschte Unschlüssigkeit auf beiden Seiten. Dann machte Belloir eine nicht recht überzeugende Verbeugung im Sitzen und deutete einen Gruß an. Van Damme rührte sich nicht. Lombard, dessen Gesicht ein erstaunliches Maß an Nervosität verriet, rutschte auf seinem Stuhl hin und her und wartete ab, wie sich seine Begleiter verhalten würden.
    Würde Maigret auf sie zutreten, ihnen die Hand reichen, sich an ihrem Tisch niederlassen? Schließlich kannte er sie, hatte mit dem Bremer

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