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Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien

Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien

Titel: Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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seiner Pfeife nachstopfte.
    Er saß in seinem Zimmer im Hôtel du Chemin de Fer, und das Leuchtzifferblatt der Bahnhofsuhr, das man durchs Fenster sehen konnte, wies darauf hin, daß es zwei Uhr morgens war.
     
    Mein lieber Lucas!
    Da man ja nie wissen kann, was passiert, anbei einige Hinweise, die es Dir gegebenenfalls ermöglichen werden, die von mir eingeleiteten Ermittlungen fortzusetzen.
    1. Letzte Woche hat ein ärmlich gekleideter, wie ein Landstreicher wirkender Mann in Brüssel dreißig Tausendfrancsscheine verpackt und an seine eigene Adresse, in der Rue de la Roquette in Paris, gesandt. Spätere Nachforschungen haben ergeben, daß er sich des öfteren solch bedeutende Beträge geschickt hat, ohne aber von dem Geld Gebrauch zu machen. Ein Beweis dafür ist die Tatsache, daß in seinem Zimmer die Asche einer größeren Menge absichtlich verbrannter Banknoten gefunden wurde.
    Der Mann hat unter dem Namen Louis Jeunet gelebt und mehr oder weniger regelmäßig in einer Werkstatt in derselben Straße gearbeitet, in der er wohnte.
    Er war verheiratet (siehe Madame Jeunet, Kräuterhandlung, Rue Picpus) und hat ein Kind. Er hat jedoch Frau und Kind unter merkwürdigen Umständen und nach schweren Trunksuchtsanfällen verlassen.
    Nachdem er das Geld abgeschickt hatte, ist er einen Koffer kaufen gegangen, um darin Dinge, die er in seinem Hotelzimmer hatte, zu verstauen. Diesen Koffer habe ich während seiner Reise nach Bremen gegen einen anderen vertauscht.
    Und Jeunet, der vorher keinen Selbstmordgedanken zu hegen schien und sich mit Proviant zum Abendbrot versorgt hatte, hat sich, als er gewahr wurde, daß ihm sein Eigentum entwendet worden war, das Leben genommen.
    Es handelt sich dabei um einen alten Anzug, der nicht seiner war und vor Jahren – im Verlauf eines Kampfes wahrscheinlich – zerrissen und mit Blut durchtränkt wurde. Der Anzug ist in Lüttich hergestellt worden.
    In Bremen ist ein Mann mit dem Namen Joseph van Damme aufgetaucht, ein in Lüttich geborener Handelsmakler, um sich die Leiche anzusehen.
    In Paris habe ich erfahren, daß Louis Jeunet eigentlich ein gewisser in Lüttich geborener Jean Lecocq d’Arneville war, von dem man seit langem nichts mehr gehört hatte. Er hat die höhere Schule und anschließend die Universität besucht. In Lüttich, das er vor etwa zehn Jahren verließ, liegt nichts gegen ihn vor.
    2. Vor seiner Abreise nach Brüssel ist Jean Lecocq d’Arneville in Reims dabei beobachtet worden, wie er des Nachts das Haus Maurice Belloirs aufsuchte, eines stellvertretenden Bankdirektors und geborenen Lüttichers, welcher jedoch dies Zusammentreffen leugnet.
    Aber die aus Brüssel abgeschickten dreißigtausend Francs stammen von demselben Belloir.
    In Belloirs Haus bin ich folgenden Leuten begegnet: van Damme, der mit dem Flugzeug aus Bremen gekommen ist; Jef Lombard, einem Fotograveur aus Lüttich und Gaston Janin, der ebenfalls in dieser Stadt geboren ist.
    Auf meiner Rückreise nach Paris in Begleitung von van Damme hat dieser versucht, mich in die Marne zu stoßen.
    Und in Lüttich habe ich ihn bei Jef Lombard wieder getroffen. Dieser Lombard hat sich vor zehn Jahren der Malerei gewidmet; die Wände seines Hauses sind mit Bildern aus dieser Zeit bedeckt, die alle Gehängte darstellen.
    Bei allen Zeitungen, die ich aufgesucht habe, ist die Nummer vom fünfzehnten Februar des Entstehungsjahres der Gehängten von van Damme vorher herausgerissen worden.
    Am Abend habe ich einen anonymen Brief erhalten, in dem mir umfassende Aufklärung versprochen wurde; Treffpunkt war ein Lokal in der Stadt. Dort habe ich jedoch nicht einen Mann, sondern drei vorgefunden; nämlich Belloir (aus Reims angereist), van Damme und Jef Lombard.
    Ihr Verhalten mir gegenüber war gezwungen. Meines Erachtens hatte sich einer der drei entschlossen zu sprechen, und die anderen sind nur gekommen, um ihn daran zu hindern.
    Jef Lombard ist plötzlich mit allen Anzeichen überreizter Nerven davongestürzt. Ich bin mit den anderen dortgeblieben, habe mich nach Mitternacht draußen im Nebel von ihnen verabschiedet, und kurz darauf ist ein Schuß auf mich abgefeuert worden.
    Daraus habe ich gefolgert, daß zwar einer der drei hatte sprechen wollen, daß aber auch einer von ihnen versucht hat, mich aus dem Wege zu räumen.
    Und da das Unterfangen des letzteren einem Schuldbekenntnis gleichkommt, scheint es mir, daß dem Verantwortlichen keine andere Wahl bleibt, als es nochmals und diesmal mit mehr Erfolg zu

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