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Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Titel: Maigret und der geheimnisvolle Kapitän Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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zurückkehrt. In Holland muß es ähnliche Schiffe geben, die ausschließlich die Norwegen-Route fahren. Nun, Martineau ist Norweger, und Kapitän Joris ist in Norwegen gewesen, bevor er mit dem geflickten Schädelriß in Paris aufgetaucht ist.«
    Der Bürgermeister hörte aufmerksam zu.
    »Das ist nicht alles. Martineau kehrt nach Fécamp auf die ›Saint-Michel‹ zurück, Grand-Louis, sozusagen sein ›Mädchen für alles‹, ist wenige Stunden vor Joris’ Tod hier. Etwas später trifft die ›Saint-Michel‹ mit Martineau ein. Und heute nacht hat er versucht zu fliehen, zusammen mit dem Großteil der Männer, die ich gebeten hatte, sich der Polizei zur Verfügung zu halten. Außer Ihnen!«
    Maigret hielt inne, seufzte:
    »Bleibt zu klären, warum Martineau zurückgekehrt ist und versucht hat, nach Paris zu entkommen, und warum Sie Ihre Frau am Telefon gebeten haben, eiligst herzukommen.«
    »Ich hoffe, Sie machen keine Anspielung auf …«
    »Ich? Keineswegs! Hören Sie? Da kommt ein Auto. Ich wette, es ist Madame Grandmaison, die von Caen kommt. Wollen Sie mir den Gefallen tun und ihr nichts sagen?«
    Ein Klingeln. Die Schritte der Haushälterin im Flur.
    Fetzen eines halblaut geführten Gesprächs, dann das Gesicht des Mädchens in der Tür. Aber warum sagte sie nichts? Warum diese ängstlichen Blicke auf ihren Dienstherrn?
    »Nun?« fragte dieser ungeduldig.
    »Es ist …«
    Maigret drängte sie zur Seite, trat in den Flur, wo er nur einen Chauffeur in Uniform entdeckte.
    »Haben Sie Madame Grandmaison unterwegs verloren?« sagte er ihm ins Gesicht hinein.
    »Es war so … es ist … sie …«
    »Wo ist sie ausgestiegen?«
    »An der Straßenkreuzung zwischen Caen und Deauville. Sie fühlte sich nicht wohl.«
    Der Bürgermeister stand mit gespanntem Gesicht und schwer atmend in seinem Büro.
    »Warten Sie auf mich!« rief er dem Chauffeur zu.
    Und vor Maigret, der ihm mit seinem mächtigen Körper im Weg stand, zögerte er.
    »Sie werden mir doch wohl gestatten …«
    »Alles. Sie haben recht. Wir müssen beide hin.«
    12
    Der unvollendete Brief
    D
    er Wagen hielt an einer häuserlosen Kreuzung, und der Chauffeur wandte sich der weiteren Befehle wegen nach hinten. Seit sie Ouistreham verlassen hatten, war Monsieur Grandmaison nicht mehr der gleiche Mensch.
    Dort hatte er seine Nerven immer unter Kontrolle gehabt, selbst in den erbärmlichsten Situationen.
    Aus war’s damit! Er war von einer geradezu panischen Angst ergriffen. Und sein zerschundenes Gesicht, sein rastloser Blick, der pausenlos durch die Landschaft wanderte, machten dies um so deutlicher.
    Als das Auto anhielt, sah er Maigret fragend an, aber der Kommissar erlaubte sich den boshaften Spaß, zu murmeln:
    »Was machen wir nun?«
    Keine Menschenseele auf der Straße, auch niemand in den umliegenden Obstgärten. Natürlich war Madame Grandmaison nicht aus dem Wagen gestiegen, um sich an den Straßenrand zu setzen. Wenn sie, als sie hier angelangt war, den Chauffeur weggeschickt hatte, dann, weil sie eine Verabredung oder plötzlich jemanden entdeckt hatte, mit dem sie ohne Zeugen sprechen wollte.
    Das Laub in den Bäumen war naß, ein starker Humusgeruch stieg vom Boden auf. Wiederkäuende Kühe stierten das Auto an.
    Und der Bürgermeister sah sich suchend um, spähte in jeden Winkel der Landschaft, als rechnete er damit, seine Frau hinter einer Hecke oder einem Baumstamm zu entdecken.
    »Schauen Sie da!« sagte Maigret im Ton eines freundlichen Helfers.
    Auf der Straße nach Dives sah man eindeutige Spuren. Hier hatte ein Auto gestoppt, mühsam auf der schmalen Straße gewendet und dann seine Fahrt fortgesetzt.
    »Ein alter Lieferwagen … Fahren Sie weiter!« befahl er dem Chauffeur.
    Sie brauchten nicht lange zu fahren. Ein gutes Stück vor Dives verloren sich die Wagenspuren auf einem Schotterweg. Monsieur Grandmaison blickte immer noch suchend um sich, und in seinen Augen spiegelten sich Angst und Haß zugleich.
    »Sehen Sie etwas?«
    »Da vorne ist ein Dorf, fünfhundert Meter vor uns …«
    »Dann ist es besser, wir lassen den Wagen hier.«
    Maigret schien vor Müdigkeit von fast unmenschlicher Gleichgültigkeit, er schlief buchstäblich im Stehen, und nur die Macht der Gewohnheit schien ihn einen Schritt vor den anderen setzen zu lassen. Jeder, der sie so gesehen hätte, wäre der Überzeugung gewesen, daß es der Bürgermeister war, der hier befahl, und daß der Kommissar ihm mit der Demut des Untergebenen folgte.
    Sie kamen an einem

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