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Maigret und der Spion

Maigret und der Spion

Titel: Maigret und der Spion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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der ersten Seite den gleichen sens a tionellen Aufmacher. In der ›Gazette de Liège‹, dem bürgerlichen Blatt, hieß es:
     
    Der Weidenkoffer-Fall
     
    Das Verbrechen wurde von zwei verdorbenen jungen Mä n nern begangen …
     
    In der ›Wallonie socialiste‹ stand hingegen zu lesen:
     
    Das Verbrechen zweier Bürgersöhne …
     
    Man berichtete von Jean Chabots Verhaftung ebenso wie von Delfosses Flucht. Bereits gab es eine Fotografie vom Haus in der Rue de la Loi.
    Und dazu war zu lesen:
     
    … Gleich nach der ergreifenden Zusammenkunft mit se i nem Sohn in den Räumen der Kriminalpolizei hat sich Monsieur Chabot in sein Haus zurückgezogen und lehnt jede Stellungnahme ab. Madame Chabot ist von den E r eignissen so mitgenommen, daß sie das Bett hüten muß   …
     
    Wir konnten Monsieur Delfosse bei seiner Rückkehr aus Huy erreichen, wo er Fabriken besitzt. Monsieur Delfosse ist eine dynamische Persönlichkeit, etwa fünfzigjährig, mit stets nüchternem Blick. Er hat den Schock gefaßt aufg e nommen. Er glaubt nicht an eine Schuld seines Sohnes und hat die Absicht, sich persönlich mit dem Fall zu befassen …
     
    Im Gefängnis Saint-Léonard hat man uns mitgeteilt, daß Jean Chabot sehr ruhig ist. Er erwartet den Besuch seines Anwalts, bevor er vor dem Untersuchungsrichter de Co n ninck erscheint, der den Fall bearbeitet …
     
    Die Rue de la Loi war ruhig, wie gewöhnlich. Man sah Kinder, die den Schulhof betraten, wo sie spielten, bis der Unterricht begann.
    Zwischen den Pflastersteinen wuchsen Grasbüschel, und beim Haus Nummer 48 schrubbte eine Frau ihre Türschwelle mit einer Wurzelbürste.
    Als einziges Geräusch gab es die vereinzelten Ha m merschläge eines Kupferschmiedes.
    Aber häufiger als gewohnt gingen Türen auf. Jemand steckte den Kopf heraus, warf einen Blick in die Ric h tung von Nummer 53 . Man wechselte ein paar Worte von Tür zu Tür.
    »Wer hätte ihm so etwas zugetraut! Er ist doch noch ein Bub … Wenn ich daran denke, daß er vor nicht al l zu langer Zeit mit meinem Jungen auf der Straße spielte … «
    »Ich sagte noch zu meinem Mann, als ich ihn zwe i mal betrunken nach Hause kommen sah … In seinem Alter! … «
    Etwa jede Viertelstunde wurde an der Tür der Ch a bots geklingelt. Die polnische Studentin ging jeweils öffnen.
    »Monsieur und Madame Chabot sind nicht da«, sagte sie mit starkem Akzent.
    »›Gazette de Liège‹. Bestellen Sie Ihnen bitte … «
    Und der Reporter verrenkte sich den Hals, um irgend etwas im Innern zu erspähen. Flüchtig nahm er die K ü che war, den Rücken eines sitzenden Mannes.
    »Es ist zwecklos … Sie sind nicht da … «
    »Trotzdem … «
    Sie schloß die Tür. Der Journalist begnügte sich d a mit, die Nachbarn zu befragen.
    Eine Zeitung brachte einen Untertitel, der die Akze n te anders setzte als die übrigen:
     
    Wo ist der Mann mit den breiten Schultern?
     
    Und der Text dazu lautete:
     
    Jedermann scheint bislang an die Schuld von Chabot und Delfosse zu glauben. Ohne sie verteidigen zu wollen und unter objektiver Berücksichtigung der Gegebenheiten, sei es uns indessen gestattet, uns über das Verschwinden eines wichtigen Zeugen zu wundern: jenes Gastes mit den breiten Schultern, der sich in der Tatnacht im ›Gai-Moulin‹ au f hielt.
    Nach Auskunft eines der Kellner soll er Franzose sein, der erst- und letztmals an diesem Abend in dem Lokal g e sehen wurde. Hat er die Stadt bereits verlassen? Hat er Gründe, eine Befragung durch die Polizei zu vermeiden?
    Diese Fährte ist vielleicht nicht unerheblich, und falls die beiden jungen Leute unschuldig sein sollten, wäre zwe i fellos aus dieser Richtung einige Aufklärung zu erwarten.
    Im übrigen glauben wir zu wissen, daß Kommissar De l vigne, der die Ermittlungen in enger Zusammenarbeit mit dem Untersuchungsrichter führt, der Fremden- und der Verkehrspolizei die erforderlichen Weisungen gegeben hat, auf daß der mysteriöse Gast des ›Gai-Moulin‹ gefunden werde …
     
    Die Zeitung erschien kurz vor zwei Uhr. Um drei e r schien ein korpulenter Mann mit rot geäderten Wangen bei der Polizei, verlangte nach Kommissar Delvigne und erklärte:
    »Ich bin Geschäftsführer des ›Hotel Moderne‹ in der Rue du Pontd’Avroy. Ich habe eben die Zeitungen gel e sen und glaube, daß ich Ihnen Hinweise zu dem Mann geben kann, den Sie suchen.«
    »Den Franzosen?«
    »Ja. Und auch zum Opfer. Im allgemeinen kümmere ich mich nicht um Zeitungsgeschreibsel, deswegen komme ich

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