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Maigret und der Spion

Maigret und der Spion

Titel: Maigret und der Spion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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erst jetzt. Warten Sie … Welchen Tag haben wir heute? Freitag … Dann war es also am Mittwoch … Das Verbrechen ist doch am Mittwoch begangen wo r den, oder? Ich war nicht da … Ich hatte geschäftlich in Brüssel zu tun … Es kam ein Gast an, der einen starken ausländischen Akzent hatte und als einziges Gepäc k stück ein Köfferchen aus Schweinsleder mit sich führte. Er hat ein großes Zimmer zur Straße hin verlangt und ist sofort hinaufgegangen … Einige Minuten später nahm ein anderer Gast das Nachbarzimmer …
    Gewöhnlich lassen wir die Anmeldung gleich bei der Ankunft ausfüllen … Ich weiß nicht, warum das die s mal nicht geschah. Um Mitternacht bin ich zurückg e kommen. Ich warf einen Blick auf das Schlüsselbrett.
    ›Haben Sie die Anmeldungen?‹ habe ich die Kassier e rin gefragt.
    ›Bis auf die von zwei Reisenden, die gleich nach ihrer Ankunft wieder weggegangen sind.‹
    Am Donnerstagmorgen war nur einer der beiden z u rück. Ich habe mir keine Gedanken um den anderen gemacht, sondern mir gedacht, daß er irgendein galantes Abenteuer erlebt.
    Im Laufe des Tages bin ich dem Mann nicht bege g net, und heute früh sagte man mir, er habe seine Rec h nung bezahlt und sei abgereist.
    Als die Kassiererin ihn bat, noch seine Anmeldung auszufüllen, zuckte er bloß die Achseln und brummte, das sei nicht mehr die Mühe wert.«
    »Entschuldigung!« warf der Kommissar ein. »War das derjenige, der als der Mann mit breiten Schultern b e schrieben wird?«
    »Ja … Er hat das Hotel mit seiner Reisetasche gegen neun Uhr verlassen … «
    »Und der andere?«
    »Da er nicht zurückgekommen ist, bin ich mit Hilfe des Nachschlüssels, den wir für Notfälle haben, ne u gierig in sein Zimmer gegangen. Dabei sah ich auf dem schweinsledernen Köfferchen einen eingeprägten N a men: Ephraim Graphopulos . So habe ich erfahren, daß der Ermordete im Weidenkoffer mein Hotelgast war … «
    »Wenn ich richtig verstanden habe, sind sie am Mit t wochnachmittag angekommen, einige Stunden vor dem Verbrechen, einer nach dem anderen. Als wären sie mit demselben Zug gekommen, eigentlich!«
    »Ja, mit dem Schnellzug aus Paris.«
    »Und sie sind abends kurz nacheinander ausgega n gen.«
    »Ohne ihre Anmeldung ausgefüllt zu haben!«
    »Nur der Franzose ist zurückgekommen und heute morgen verschwunden. «
    »Genau! Es wäre mir lieb, wenn der Name des Hotels möglichst nicht veröffentlicht würde, weil es Gäste gibt, die sich davon beeindrucken lassen.«
    Leider erzählte zur gleichen Stunde einer der Kellner des ›Hôtel Moderne‹ genau dieselbe Geschichte einem Journalisten. Um fünf Uhr war in den Abendausgaben aller Blätter zu lesen:
     
    Der Fall nimmt eine neue Wendung:
    Ist der Mann mit den breiten Schultern
    Der Mörder?
     
    Es war ein prächtiger Tag. Das Leben pulste in den so n nenhellen Straßen der Stadt.
    Allenthalben hielten die Polizisten unter den Passa n ten Ausschau nach dem gesuchten Franzosen.
    Am Bahnhof stand hinter jedem Beamten am Fah r kartenschalter ein Polizeiinspektor, und die Reisenden wurden von Kopf bis Fuß unter die Lupe genommen.
    In der Rue du Pont-d’Or lud ein Lastwagen vor dem ›Gai-Moulin‹ Champagnerkisten ab, die eine nach der anderen in den Keller geschafft wurden, quer durch den Saal, der in kühlem Halbdunkel lag.
    Génaro überwachte das Manöver, in Hemdsärmeln und wie üblich eine Zigarette zwischen den Lippen.
    Und er zuckte bloß die Achseln, wenn er sah, wie Pa s santen stehenblieben und erschauernd murmelten:
    »Hier ist’s … «
    Sie versuchten ins Innere zu spähen, wo im Halbdu n kel kaum mehr zu erkennen war als die granatroten Plüschbänke und die Marmortische.
    Um neun wurden die Lampen eingeschaltet, und die Musiker stimmten ihre Instrumente. Um viertel nach neun saßen sechs Journalisten an der Bar, leidenschaf t lich diskutierend.
    Um halb zehn war der Saal mehr als zur Hälfte b e setzt, was sonst nicht mal jedes Jahr einmal vorkam. Nicht nur waren da alle jungen Leute, die gewöhnlich in Nacht- und Tanzlokalen verkehrten, sondern auch gesetzte Herrscha f ten, die zum ersten Mal in ihrem Leben einen Fuß in ein verrufenes Etablissement setzten. Die Neugier hatte sie he r getrieben. Niemand tanzte. Man beäugte den Patron, Vi c tor, den Eintänzer. Jedermann suchte die Toilette auf, um die berüchtigte Kellertreppe in Augenschein zu ne h men.
    » Allons! Los!« spornte Génaro seine Kellner an, die dem Ansturm nicht gewachsen waren.
    Und während er

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