Maigret und die Tänzerin Arlette
Ergebnis?«
»Sie war ausgekochter als ich. Was soll denn das mit dem Schwulen?«
»Kennen Sie Philippe?«
»Nein, aber ich kenne ein paar von diesen Tanten. Hin und wieder verlaufen sich mal welche von der Sorte ins Picratt, aber das sind Gäste, die ich nicht mag. Glauben Sie, daß das zu etwas führen wird?«
Jetzt schwieg Maigret. Fred wußte natürlich längst, was gespielt wurde. Er war sozusagen sein Berufskollege. Sie arbeiteten beide ungefähr auf demselben Gebiet, nur auf verschiedene Art und aus verschiedenen Gründen.
»Sie haben mir noch nicht alles von Arlette gesagt«, sagte der Kommissar in mildem Ton.
Ein leichtes Lächeln huschte über Freds Lippen.
»Haben Sie schon erraten, was?«
»Ich kann es mir denken.«
»Na, die Gelegenheit ist ja günstig, da meine Frau noch oben ist. Wenn das Mädel auch tot ist, vor Rosa spreche ich nicht gern allzuviel von ihr. Unter uns gesagt, ich werde sie ja auch nie verlassen. Man ist so aneinander gewöhnt, daß ich sie kaum noch entbehren könnte. Selbst wenn ich mit Arlette auf und davon gegangen wäre, wäre ich wohl wieder zu ihr zurückgekommen.«
Das Telefon läutete. Eine Zelle gab es hier nicht. Der Apparat befand sich im Waschraum, und Maigret erhob sich sofort und sagte: »Das ist für mich.«
Er hatte sich nicht getäuscht. Es war Lapointe.
»Sie hatten recht, Chef. Er ist sofort zu Dr. Bloch gegangen. Er hat den Autobus genommen, ist nur ein paar Minuten oben geblieben und dann noch ein wenig bleicher herausgekommen. Jetzt geht er gerade in Richtung Place Blanche.«
»Ist sonst alles in Ordnung?«
»Alles in Ordnung. Haben Sie keine Sorge.«
Maigret setzte sich wieder, und Fred stellte ihm keine Frage.
»Sie wollten mir noch etwas von Arlette sagen.«
»Ich habe immer das Gefühl gehabt, daß sie ein Mädchen aus guter Familie war, das Hals über Kopf von zu Haus ausgerissen ist. Richtiger gesagt, Rosa hat mich als erste auf dies und jenes aufmerksam gemacht, worauf ich nicht geachtet hatte. Ich hielt sie übrigens auch für jünger, als sie angeblich war. Zweifellos hatte sie ihren Personalausweis mit dem einer älteren Kollegin getauscht.«
Fred sprach langsam, wie jemand, der in angenehmen Erinnerungen kramt. Wie ein Tunnel lag vor ihnen im Halbdunkel der lange schlauchartige Raum, an dessen anderem Ende, dicht bei der Tür das polierte Holz der Bar im Licht der Lampe aufglänzte. »Was ich Ihnen sagen möchte, läßt sich schwer in Worte fassen. Es gibt Mädchen, die den Trieb zur Liebe in sich haben, und ich habe blutjunge Unschuldslämmer gekannt, die lasterhafter waren als alte Strichmädchen. Arlette war ganz anders.
Ich weiß nicht, wer der Kerl ist, der ihr das alles beigebracht hat, aber ich ziehe vor ihm meinen Hut. Ich kenne mich darin aus, das habe ich Ihnen ja schon gesagt, und wenn ich behaupte, daß ich nie einer Frau begegnet bin, die so war wie sie, dann können Sie mir das schon glauben.
Er hat sie nicht nur alles gelehrt, sondern ich habe gemerkt, daß er sich auf Sachen verstanden hat, von denen ich selber bis dahin keine Ahnung hatte. Und das in meinem Alter! Bei dem Leben, das ich hinter mir habe! Ich habe so etwas nie erlebt.
Und ihr hat das alles Spaß gemacht, ich lege meine Hand dafür ins Feuer. Ich meine, nicht nur mit allen möglichen Männern ins Bett zu gehen, sondern auch ihre Nummer vorzuführen, die Sie leider nicht gesehen haben. Ich habe Frauen von fünfunddreißig oder vierzig gekannt, meistens welche mit einem kleinen Knall, deren einzige Lust darin bestand, die Männer aufzureizen. Ich habe Mädchen gekannt, die mit dem Feuer spielten. Aber nie so wie sie. Nie mit dieser Leidenschaft. Ich weiß, ich habe mich schlecht ausgedrückt. Aber es ist unmöglich, das jemandem genau klarzumachen.
Sie haben mich nach einem Mann namens Oskar gefragt. Ich weiß nicht, ob er existiert. Ich weiß nicht, wer er ist. Aber fest steht, daß Arlette in den Händen von jemandem war, der sie an sich zu fesseln wußte.
Glauben Sie, daß sie ihn plötzlich satt hatte und ihn verpfiffen hat?«
»Als sie da um vier Uhr morgens ins Revier der Rue La Rochefoucauld ging, wußte sie genau, daß ein Verbrechen geplant war, und daß es sich um eine Gräfin handelte.«
»Und warum hat sie nun erzählt, sie habe das hier gehört, wo sie zufällig das Gespräch zweier Männer belauscht hätte?«
»Sie war eben betrunken. Und wahrscheinlich, weil sie soviel getrunken hatte, hatte sie sich zu diesem Schritt
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