Maigret und Monsieur Charles
war? Es hatte kein Einverständnis mehr zwischen ihnen gegeben, und später hatten sie wohl sozusagen nicht einmal mehr miteinander gesprochen.
Keiner der beiden hatte die Scheidung beantragt.
Den Kopf voller Fragen, schlief Maigret schließlich ein. Als er aufstand, nachdem er die erste Tasse Kaffee, die ihm seine Frau brachte, im Bett getrunken hatte, fiel ein feiner Regen.
»Hast du heute viel zu tun?«
»Weiß ich nicht. Ich weiß nie im Voraus, was mich erwartet.«
Er nahm ein Taxi. Das war ein Zeichen. Gewöhnlich benutzte er den Bus oder die Metro.
Die Fotos lagen schon auf seinem Schreibtisch, und sie waren erstaunlich scharf. Er nahm von jeder Sorte eins und ging zu Perettis Büro am anderen Ende des Ganges. Peretti war Chef der Sittenpolizei und der einzige Kommissar, der einen mit einem gelben Diamanten geschmückten Ring am Finger trug, so als hätten die Leute, mit denen er von Berufs wegen zu tun hatte, auf ihn abgefärbt.
Er war ein ansehnlicher, noch junger Mann mit tiefschwarzem Haar und ziemlich auffälliger Kleidung.
»Sieh an! Dich habe ich schon lange nicht mehr gesehen!«
Das stimmte. Sie hatten ihre Büros auf dem gleichen Gang, aber sie begegneten sich selten, und wenn, dann vor allem in der »Brasserie Dauphine«.
»Ich nehme an, du kennst diese Frau nicht?«
Peretti studierte die Vergrößerung des Porträts von Nathalie und ging ans Fenster, um besser zu sehen.
»Ist das nicht die Frau des Notars, deren Bild gestern in den Zeitungen veröffentlicht worden ist, nur jünger?«
»Sie ist es, ja, vor etwas mehr als fünfzehn Jahren... Hier ist sie mit ihrem Mann, ein paar Wochen oder Monate später...«
Peretti musterte ebenso aufmerksam das Foto aus Cannes.
»Die erinnern mich an nichts, weder das eine noch das andere...«
»Das dachte ich mir schon. Aber das ist noch nicht alles. Ich habe mir von meinen Leuten eine Liste aller Pariser Nachtlokale zusammenstellen lassen. Hier ist eine Kopie davon. Gibt es darunter eins oder mehrere, die noch den gleichen Inhaber wie damals haben? Ich suche vor allem im VIII. Arrondissement und Umgebung.«
Peretti studierte die Liste.
»Die meisten dieser Nachtclubs existierten vor fünfzehn Jahren noch gar nicht. Die Mode ändert sich. Früher war das Nachtleben auf Montmartre konzentriert. Dann kam Saint-Germain-des-Prés... Moment mal. Le Ciel de Lit, Rue de Ponthieu. Das wurde und wird noch heute von einem netten Halunken geführt, gegen den man nie irgendetwas gefunden hat...«
»Sonst keins?«
»Chez Mademoiselle, Avenue de la Grande-Armee. Ein todschicker Laden, geführt von einer Frau namens Blanche Bonnard. Die muss schon über fünfzig sein, aber sie hat sich gut gehalten. Sie besitzt noch einen anderen Nachtclub, in Montmartre, Rue Fontaine, der etwas gewöhnlicher ist, Le Doux Frisson...«
»Weißt du, wo sie wohnt?«
»Sie hat eine Wohnung in der Avenue de Wagram, für die sie ein kleines Vermögen ausgegeben haben soll...«
»Ich lasse dir die Liste da. Ich habe noch mehr Exemplare davon. Falls dir zufällig noch etwas einfällt...
Ich vergaß dich zu fragen, wo der Besitzer des Ciel de Lit wohnt...«
»Marcel Lenoir? Im selben Gebäude, in dem sein Lokal ist, in der dritten oder vierten Etage. Ich habe schon Haussuchungen bei ihm gemacht in der Hoffnung, auf Rauschgift zu stoßen...«
»Danke, mein Alter.«
»Wie läuft deine Ermittlung?«
»So là là ...«
Maigret kehrte in sein Büro zurück. Er ging wie jeden Morgen Bericht erstatten, und als er den Direktor in seinem Sessel sah, dachte er, dass er in einem Monat selbst dort hätte sitzen können.
»Was ist mit dieser Notargeschichte, Maigret?«
Auch die anderen Abteilungsleiter waren da, jeder mit seinen Akten.
»Ich bin nicht vorwärtsgekommen. Ich sammle Informationen, die vielleicht etwas bringen oder auch völlig nutzlos sind...«
Er ließ das vergrößerte Foto von Nathalie an die Zeitungen schicken, mit dem Vermerk: Madame Sabin- Levesque mit zwanzig.
Dann ging er ins Archiv hinauf, um zu erfahren, ob sie unter ihrem Namen oder unter dem Namen Trika im Register stand. Nichts dergleichen. Sie war nicht vorbestraft und nie aus irgendeinem Grund vorgeladen worden.
»Fährst du mich in die Rue de Ponthieu?«
Lapointe oder auch Janvier dienten ihm als Chauffeur, denn Maigret hatte nie ein Autolenkrad in der Hand gehalten. Vor kurzem hatte er einen Wagen gekauft, um Samstag abends oder Sonntag morgens zu ihrem Häuschen in Meung-sur-Loire zu fahren, aber
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