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Maigret und Monsieur Charles

Maigret und Monsieur Charles

Titel: Maigret und Monsieur Charles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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sah, hat es bei mir sofort klick gemacht, und ich habe mich vergewissert, dass ich mich nicht täuschte...«
    »Sie kannten Madame Sabin-Levesque, als sie sich Trika nannte?«
    »Und ob!«
    Sie erhob sich, ging in ein anderes Zimmer und kam mit einem riesigen Album zurück.
    »Da ich kein besonders gutes Gedächtnis habe, bewahre ich alles auf. Ich habe fünf solcher Alben, prallvoll mit Fotos... bitte sehr...«
    Sie reichte Maigret das aufgeschlagene Album. Auf der rechten Seite war eines jener Fotos eingeklebt, wie sie in Nachtclubs aufgenommen werden.
    Ja, das war Nathalie, noch blutjung, mit naiver und unbefangener Miene. Sie trug ein tief ausgeschnittenes Kleid, das den Ansatz der Brüste erkennen ließ.
    An ihrer Seite, leicht vorgeneigt, Sabin-Levesque... Auf dem Tisch ein Sektkübel und eine Flasche...
    »Hier hat er sie kennengelernt... Sie war seit etwa zwei Monaten Animierdame...«
    »Wissen Sie, woher sie kam?«
    »Ja. Aus Nizza, wo sie in einem ziemlich miesen Nachtlokal gearbeitet hatte.«
    »Hat sie sich bei Ihnen ausgesprochen?«
    »Sie sprechen sich alle bei mir aus. Die meisten von ihnen sind allein und haben keinen Menschen, mit dem sie reden können... Da wenden sie sich eben an Mama Blanche... Darf ich Ihnen irgendetwas anbieten? Ich trinke nicht viel, aber jetzt ist es Zeit für meinen Portwein ...«
    Es war ein erstklassiger Portwein, wie Maigret ihn selten getrunken hatte.
    »Ihr Familienname war Frassier, und ihr Vater ist gestorben, als sie gerade fünfzehn war. Er war Buchhalter oder so etwas ähnliches... Ihre Mutter war die Tochter eines russischen Grafen, und sie legte Wert darauf, dass das bekannt wurde... Sehen Sie, ich habe trotz allem ein ganz gutes Gedächtnis...
    In meinem Club setzte sie sich immer an denselben Tisch. Die Kunden waren vor allem von ihrem jugendlichen, unschuldigen Aussehen beeindruckt. Sie näherten sich ihr nur mit einem gewissen Zögern. Sie lächelte ihnen freundlich, aber distanziert zu...
    Sie ging selten mit jemandem weg. Ich glaube, das ist nicht mehr als dreimal vorgekommen...«
    »Hatte sie keinen festen Liebhaber?«
    »Nein. Sie lebte allein in einem kleinen Hotelzimmer nicht weit von hier, in der Rue Brey. Ich mochte sie, aber zugleich habe ich sie nie ganz verstanden... Eines Abends kam Gerard Sabin-Levesque herein... Oder vielmehr Monsieur Charles, denn das war der Name, unter dem wir ihn kannten... Er war schon einmal dagewesen, lange Zeit vorher... Er liebte sanfte und stille Frauen, und Trika fiel ihm sofort auf... Er setzte sich an ihren Tisch... Er muss sie wohl gebeten haben, mit ihm zu kommen, und sie hat abgelehnt...
    Er kam jeden Abend wieder, über eine Woche lang, bevor er sie soweit hatte, dass sie mit ihm ging. Sie hatte noch Sachen hier, zwei Kleider, Unterwäsche, persönliche Kleinigkeiten...
    Nach ein paar Tagen kam sie vorbei, um ihre Habseligkeiten abzuholen.«
    >Die große Liebe?< fragte ich sie.
    Sie sah mich an, ohne zu antworten.
    >Hat er dir eine Wohnung verschafft?<
    >Es ist noch nichts entschieden...<
    Sie bedankte sich bei mir und küsste mich auf beide Wangen, und dann habe ich sie nie wieder gesehen.
    Zwei Monate später jedoch erschien im Figaro ein Hochzeitsfoto. Trika war im Brautkleid und ihr Mann im Cut.
    Monsieur Gerard Sabin-Levesque, der bekannte Notar vom Boulevard Saint-Germain, hat heute Morgen geheiratet...«
    Maigret und Lapointe sahen sich an. Was sollte man von dieser Geschichte halten? Das arme Mädchen aus Quimper, Animierdame in einem zweifelhaften Nachtlokal, dann bei Chez Mademoiselle, war die Frau eines der bekanntesten und reichsten Notare von Paris geworden.
    Gerards Vater, ein Mann von Prinzipien, lebte zu der Zeit noch. Was hatte er zu dieser Verbindung gesagt? Und wie waren die drei Menschen, die ja auf der gleichen Etage wohnten, miteinander ausgekommen?
    Schon nach drei Monaten nahm Gerard seine Gewohnheit wieder auf, von Zeit zu Zeit für einige Tage zu verschwinden.
    Trank Nathalie damals schon? Und verbrachte sie schon damals die meiste Zeit in ihrer Wohnung?
    Die Jahre waren dahingegangen, und sie trank immer mehr. Der Notar hatte es aufgegeben, ein Eheleben zu führen. Sie waren Fremde, wenn nicht sogar Feinde für einander geworden.
    »Jetzt ist sie frei... Frei und reich... Das gibt Ihnen zu denken, nicht wahr, Herr Kommissar?«
    »In den Zeitungen ist nicht alles gesagt worden. Sabin-Levesque hat mindestens zehn Schläge mit einem schweren Gegenstand auf den Kopf gekriegt, und sein

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