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Maigret zögert

Maigret zögert

Titel: Maigret zögert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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nichts dem Zufall überlassen. Maigret hatte sich wie im Restaurant seines Hutes entledigt und schritt nun zum ersten Mal durch einen riesigen Salon, der das Amtszimmer eines Ministers hätte sein können. Kein einziger persönlicher Gegenstand lag herum, kein Schal, keine Zigarettenspitze, kein aufgeschlagenes Buch. Die Aschenbecher waren leer. Die geöffneten hohen Fenster gingen auf den Hof hinaus, der jetzt still in der Sonne lag, denn die Autowäsche war beendet.
    Ein Flur. Dann eine Biegung. Die Wohnung schien wie die alten Schlösser aus einem Mitteltrakt und zwei Flügeln zu bestehen. Ein roter Läufer auf dem weißen Marmorboden. Überall die zu hohen Decken, unter denen man sich so zwergenhaft vorkam.
    Ferdinand klopfte leise an eine Flügeltür, öffnete sie, ohne auf eine Antwort zu warten und sagte:
    »Kommissar Maigret.«
    Er stand allein in einem Boudoir, aber da tauchte Madame Parendon auch schon aus einem Nebenzimmer auf, ging mit ausgestrecktem Arm auf Maigret zu und drückte ihm energisch die Hand.
    »Ich muss mich schämen, Herr Kommissar, dass ich Sie oder vielmehr einen Ihrer Angestellten angerufen habe...«
    Ein Boudoir ganz in Blau, die mit Brokatseide bespannten Wände, die Louis-XV-Sessel, der Teppichboden; selbst der gelbgemusterte chinesische Teppich hatte einen blauen Grund.
    War es ein Zufall, dass sie um zwei Uhr nachmittags noch im Negligé war, in einem türkisblauen Negligé?
    »Verzeihen Sie, dass ich Sie in meiner Höhle, wie ich es nenne, empfange, aber dies ist der einzige Ort, an dem man nicht ständig gestört wird...«
    Die Tür, durch die sie hereingekommen war, stand einen Spalt auf, und er konnte einen Frisiertisch - ebenfalls Louis-XV - erkennen und schloss daraus, dass es ihr Schlafzimmer war.
    »Setzen Sie sich, bitte.«
    Sie deutete auf einen zierlichen Sessel, in dem sich der Kommissar vorsichtig niederließ mit dem Vorsatz, sich möglichst wenig darin zu bewegen.
    »Vor allem, rauchen Sie Ihre Pfeife!«
    Selbst wenn ihm gar nicht danach war! Sie wollte ihn so wie auf den Abbildungen in den Zeitungen. Auch die Fotografen versäumten es nie, ihn zu erinnern: Ihre Pfeife, Herr Kommissar!
    Als ob er von morgens bis abends seine Pfeife paffte! Und wenn er auf eine Zigarette Lust hätte? Oder auf eine Zigarre? Oder überhaupt nicht rauchen wollte?
    Er fühlte sich unbehaglich in dem Sessel und fürchtete, jeden Augenblick ein Krachen zu hören. Auch das blaue Boudoir störte ihn und diese Frau in Blau, die ihn affektiert anlächelte.
    Sie hatte sich in einen Lehnsessel gesetzt und steckte sich mit einem goldenen Feuerzeug, wie er es schon im Schaufenster bei Cartier gesehen hatte, eine Zigarette an. Das Zigarettenetui war aus Gold. Gewiss waren viele Dinge in diesen Räumen hier aus Gold.
    »Heute Morgen war ich eifersüchtig, dass Sie sich vor mir um die kleine Vague kümmerten.«
    »Ich hätte es nicht gewagt, Sie zu so früher Stunde zu stören.«
    War er auf dem Weg, ein mondäner Maigret zu werden? Er ärgerte sich über seine Liebenswürdigkeit.
    »Man hat Ihnen wahrscheinlich erzählt, dass ich spät aufstehe und die Zeit bis Mittag in meinen Zimmern verbummle. Das stimmt und stimmt doch nicht. Ich bin ein sehr aktiver Mensch, Monsieur Maigret, und in Wirklichkeit beginne ich meinen Tag immer sehr früh.
    Ich muss dieses große Haus führen. Würde ich nicht persönlich die Lieferanten anrufen, wüsste ich nicht, was wir essen, noch was für Rechnungen wir am Monatsende bekommen würden.
    Madame Vauquin ist wohl eine exzellente Köchin, aber das Telefon ist ihr immer noch unheimlich und bringt sie zum Stottern.
    Die Kinder nehmen mir auch viel Zeit. Auch wenn sie jetzt groß sind, muss ich mich um ihre Kleidung kümmern, um ihren Tagesablauf. Wenn ich nicht hinterher wäre, trüge Gus das ganze Jahr über Drillichhosen, Pullover und Tennisschuhe...
    Nun ja. Von den Wohlfahrtsorganisationen, denen ich meine Zeit opfere, will ich gar nicht erst reden. Andere begnügen sich damit, einen Scheck zu schicken, einem Cocktailempfang beizuwohnen, aber wenn es um die wirkliche Arbeit geht, findet sich keiner mehr bereit...«
    Er wartete, geduldig, höflich, so geduldig und so höflich, dass er es selber kaum fassen konnte.
    »Ich kann mir denken, dass Ihr Leben ebenfalls sehr bewegt ist.«
    »Wissen Sie, Madame, ich war immer nur Beamter.«
    Sie lachte, zeigte dabei alle ihre Zähne und ein Stück rosafarbener Zunge. Eine sehr spitze Zunge, fiel ihm auf. Sie hatte blondes,

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