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Maigret zögert

Maigret zögert

Titel: Maigret zögert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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bedürfen...«
    Sie gab ihm Zeit zu verschnaufen, indem sie sich eine Zigarette ansteckte. Es war die vierte. Sie rauchte gierig, ohne dabei ihren Redefluss zu bremsen, und im Boudoir schwebten bereits dicke Rauchwolken.
    »Ich glaube nicht, dass Sie besser als ich vorhersehen können, was er tun wird. Wird er sich selbst etwas antun? Es wäre möglich, und es würde mich zutiefst betrüben, nachdem ich so viele Jahre lang versucht habe, ihn glücklich zu machen.
    Ist es meine Schuld, wenn es mir nicht gelungen ist?
    Vielleicht werde ich das Opfer sein, was das Wahrscheinlichste ist, denn seit einiger Zeit wächst sein Hass auf mich immer mehr. Verstehen Sie das? Sein Bruder ist Neurologe und könnte es uns erklären. Er hat das Bedürfnis, seine Enttäuschungen, seinen Groll, seine Demütigungen auf irgendjemanden abzuladen...«
    »Entschuldigen Sie, wenn ich...«
    »Lassen Sie mich bitte ausreden. Morgen, übermorgen, irgendwann werden Sie vielleicht hergerufen werden und dann vor einer Leiche stehen, die ich sein werde...
    Ich verzeihe ihm im Voraus, denn ich weiß, dass er nicht verantwortlich ist und dass die Medizin trotz ihrer Fortschritte...«
    »Betrachten Sie Ihren Mann als einen medizinischen Fall?«
    Fast herausfordernd sah sie ihn an.
    »Ja.«
    »Ein Fall von Geisteskrankheit?«
    »Vielleicht.«
    »Haben Sie mit Ärzten darüber gesprochen?«
    »Ja.«
    »Mit Ärzten, die ihn kennen?«
    »Unter unseren Freunden befinden sich mehrere Ärzte.«
    »Was genau haben die Ihnen gesagt?«
    »Auf der Hut zu sein.«
    »Auf der Hut wovor?«
    »Wir sind nicht ins Detail gegangen. Es handelte sich nicht um ärztliche Konsultationen, sondern wir unterhielten uns auf Gesellschaften darüber.«
    »Waren alle derselben Meinung?«
    »Mehrere.«
    »Können Sie mir die Namen nennen?«
    Maigret zog absichtlich sein schwarzes Notizbüchlein aus der Tasche. Diese Geste genügte, um sie einen Rückzieher machen zu lassen.
    »Es wäre nicht korrekt, Ihnen die Namen zu geben, aber wenn Sie ihn von einem Facharzt untersuchen lassen wollen...«
    Maigret hatte seine geduldige und gutmütige Miene verloren. Auch sein Gesicht war hart geworden, denn das Ganze ging ihm nun doch zu weit.
    »Als Sie in meinem Büro anriefen, um mich um ein Treffen zu bitten, hatten Sie da schon diesen Gedanken?«
    »Welchen Gedanken?«
    »Mich mehr oder weniger direkt darum zu bitten, Ihren Mann von einem Psychiater untersuchen zu lassen.«
    »Habe ich das gesagt? Wörtlich bestimmt nicht.«
    »Aber durchblicken lassen.«
    »Wenn das so ist, dann haben Sie mich falsch verstanden oder ich habe mich falsch ausgedrückt. Vielleicht bin ich zu ehrlich, zu spontan. Ich rede zu sehr drauflos. Was ich meinte, und dazu stehe ich, ist, dass ich Angst habe, dass die Angst im Haus umgeht...«
    »Und ich frage Sie noch einmal: Angst wovor?«
    Gleichsam am Ende ihrer Kraft, setzte sie sich wieder und blickte ihn entmutigt an.
    »Ich weiß nicht, was ich Ihnen noch sagen soll, Herr Kommissar. Ich glaubte, Sie würden mich verstehen, ohne dass ich mich in Einzelheiten ergehen müsste. Ich habe Angst um mich, um ihn...«
    »Anders gesagt, Angst, dass er Sie tötet oder sich umbringt?«
    »So ausgedrückt klingt es lächerlich, ich weiß, wo doch alles um uns herum so friedlich scheint.«
    »Entschuldigen Sie die indiskrete Frage: Haben Sie mit Ihrem Mann noch sexuelle Beziehungen?«
    »Bis vor einem Jahr...«
    »Was ist vor einem Jahr passiert? Warum hat sich das geändert?«
    »Ich habe ihn mit diesem Mädchen erwischt.«
    »Mademoiselle Vague?«
    »Ja.«
    »Im Büro?«
    »Es war ekelhaft.«
    »Und seither verschließen Sie Ihre Tür vor ihm? Hat er manchmal versucht, zu Ihnen zu kommen?«
    »Ein einziges Mal. Ich habe ihm gesagt, was mir auf dem Herzen lag, und er hat kapiert.«
    »Hat er Sie nicht bedrängt?«
    »Er hat sich nicht einmal entschuldigt. Er ist gegangen wie jemand, der sich in der Etage geirrt hat.«
    »Haben Sie Liebhaber gehabt?«
    »Wie bitte?«
    Ihre Augen zogen sich zusammen, ihr Blick war hart und böse.
    »Ich frage Sie«, wiederholte er ruhig, »ob Sie Liebhaber gehabt haben. So etwas gibt es doch, oder nicht?«
    »Nicht in unserer Familie, Herr Kommissar, und wenn mein Vater hier wäre...«
    »In seiner Eigenschaft als Richter würde Ihr Vater verstehen, dass es meine Pflicht ist, Ihnen die Frage zu stellen. Sie sprachen soeben von einer Angst, die im Haus herrscht, von einer Drohung, die auf Ihnen oder Ihrem Mann lastet. Sie geben mir indirekt

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