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Mailverkehr für Anfänger (German Edition)

Mailverkehr für Anfänger (German Edition)

Titel: Mailverkehr für Anfänger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mela Wolff
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Wegen der geheimen Gärten …
    Gute Nacht
    Hannah, musikberauscht
    Betrifft: A ghost in love
    Von: Gruber Bestattungen
    Datum: 10.11.2012 22:59
    Guten Abend, Hannah,
    Du machst also Fortschritte, und ich mache wieder Überstunden. Cohen ist gut. Dylan ist sogar noch besser. Check das mal: »Dreamin’ of you« (Bob Dylan).
    Die Stimme ist gewöhnungsbedürftig. Der Text ist grandios: Er beschreibt sich selbst als ein verliebtes Gespenst, einsam unter dem weiten Himmel, allein. Er kann nur träumen von ihr, und das macht ihn verrückt …
    Manchmal sehe ich sie. Meine Kunden. Besonders die schweren Fälle. Verbrennungen. Narben. Aufgerissene Gesichter. Sie sehen mich an, während ihre Hüllen geduldig auf den kühlen Liegen warten, bis ich mich um sie kümmere. Sie wieder ansehnlich mache, damit die Verwandtschaft keinen Schrecken kriegt.
    Ich ziehe meine Handschuhe an und lege statt Mozart auch mal »La Traviata« auf oder »La Bohème«. Opern verleihen dem Ganzen ebenfalls einen Hauch von Würde. Dann säubere ich, stopfe aus, gipse zu, male an. Bis sie fast wieder so aussehen, als würden sie atmen.
    Ich schlafe nicht viel. Ab und zu habe ich Gespensterbesuch nach Mitternacht.
    Kinder sind am schlimmsten.
    »Viele sterben zu spät, und einige sterben zu früh. Noch klingt fremd die Lehre: »Stirb zur rechten Zeit!« Stirb zur rechten Zeit: Also lehrt es Zarathustra. Freilich, wer nie zur rechten Zeit lebt, wie sollte der je zur rechten Zeit sterben? Möchte er doch nie geboren sein! – Also rate ich den Überflüssigen.« (Nietzsche)
    Die Gespenster verschwinden, wenn die Beerdigung vorbei ist. Ich denke nicht mehr daran, wenn ich im Galander eine neue Cocktailkreation probiere. Bin der offizielle Vorkoster. Die kennen mich da schon. Ich habe einen Barhocker, auf dem mein Name steht.
    Mike
    Betrifft: Kitsch as kitsch can
    Von: H. Zimmermann
    Datum: 10.11.2012 23:13
    Hi, Mike!
    Nach viel zu langem und unbefriedigendem Surfen in diversen Internet-Singleportalen wollte ich eigentlich ins Bett gehen. Hab leider vorher noch mal meine Mails angeguckt. Deine gelesen. Und nun kann ich nicht schlafen.
    Deine Toten gespenstern durch meine Träume. Sie hinterlassen pelzig-grüne Fußspuren, die schneller wuchern als Bazillen in einer Petrischale.
    Aber es gibt Hoffnung: »Mit der großen Liebe ist es wie mit den Geistererscheinungen: Alle reden davon, aber niemand hat sie gesehen.« (François de La Rochefoucauld)
    Das würde im Umkehrschluss bedeuten, wenn Du Gespenster siehst, könnte es auch mit der großen Liebe klappen!
    Soll ich Dir mal eines meiner Bücher schicken, als Anschauungsmaterial, damit Du weißt, wie es funktioniert?:-)
    Bin schon an der Uni auf die Liebesromane gestoßen. Eher zufällig allerdings.
    Nach dem Abi wollte ich unbedingt studieren. Meine Eltern hielten das für Zeitverschwendung. »Du heiratest ja doch«, meinte der Zahnarzt, und die Mutter nickte fromm dazu … Hab mich trotzdem durchgesetzt, das erste Mal. Germanistik. Typisch brotloses Fach. Aber ich wollte doch unbedingt was mit Büchern machen. Der Unibetrieb war grässlich: verwirrend, überfüllt. Machte mich total kopflos. Und dann bin ich in dieses Seminar gestolpert, zum Thema »Kitsch und Kolportageroman«. Die Beispiele (hemmungslos romantische Heftromane und triefige Liebesschmöker) sollten abschreckend wirken. Für mich waren sie eine Offenbarung. Endlich mal ein paar Stunden Wirklichkeitspause. Mit Schokolade auf dem Sofa schwelgen in der sicheren Gewissheit, dass am Ende das Happy End wartet.
    Na klar!
    Und warum auch nicht. Ist Dir schon mal aufgefallen, dass die meisten dieser Geschichten starke Frauen als Heldinnen haben? Frauen, die ihren eigenen Weg gehen, und am Ende nicht nur das bekommen, was sie wollen, sondern – sozusagen als Dreingabe –noch den Mann ihrer Träume?!
    Als ich wagte, das im Seminar vorzubringen, bin ich belächelt worden. Daraufhin marschierte ich nach Hause, setzte mich hin und schrieb selbst einen Roman. Ging ganz einfach, machte unglaublichen Spaß, und als Birgit (die ihn geradezu verschlungen hat) meinte, ich sollte mein Manuskript doch mal einem Verlag vorlegen, tat ich es auch.
    Man hat es gekauft. Ich habe das Studium geschmissen und produziere seitdem rosafarbene Träume. Male den hässlichen Alltag mit Paintbrush-Farben an. Sollten wir uns etwa ähnlicher sein, als wir denken?
    Prost Mahlzeit.
    Hannah
    PS: Soso, Du ertränkst also Deine Gespenster in Cocktails. Hauptsache, Du wirfst mir

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