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Mainfall

Mainfall

Titel: Mainfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Woelm
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alten Weiber an zu beten.
    »Oh Herr, erlöse uns«, beteten sie und reckten ihre Hände gen Himmel, was in der Morgendämmerung gespenstisch aussah vor der Silhouette des Springbrunnens. Sie schienen immer noch zu glauben, dass ich ein Geist sei. Ich rief deshalb die alte Henriette zu mir und bat sie, mir die Hände zu reichen. Ängstlich stand sie vor mir und begann fürchterlich zu zittern.
    »Nun gib ihm schon die Hand, Henriette«, rief Jacques. »Er lebt. Er ist aus Fleisch und Blut.«
    Aber die alte Frau glaubte ihm nicht. Sie war sicher auf meiner Beerdigung gewesen und konnte sich einfach nicht vorstellen, dass ich nicht auf dem Friedhof lag. Als ich versuchte, sie zu berühren, schrie sie auf und ich zog meine Hand sofort zurück, um die arme Frau nicht weiter zu ängstigen. Natürlich trug das Ganze sehr zur Belustigung der übrigen Inselbewohner bei. Sogar Pierre, der Gastwirt, wurde wieder mutiger. Er kam mit seinem verletzten Arm auf mich zu und wollte mir die linke Hand reichen.
    »Die rechte ist leider verletzt, Herr Graf«, sagte er, und ich spürte, dass er stolz darauf war, im Kampf um die Insel verwundet worden zu sein.
    Zuerst zaghaft, dann aber kräftig gab er mir die linke Hand.
    »Er ist es. Er lebt!«, rief er und alle klatschten Beifall. Nur die alten Weiber standen nach wie vor verschüchtert abseits.
    Nachdem ich mich nochmals bei allen Inselbewohnern bedankt hatte, gingen die Bediensteten in ihre Häuser zurück und die Dorfbewohner zogen durch die Schlosseinfahrt zum Dorf hinab. Vor dem Verlies unter der Schlosstreppe, in das inzwischen Dolcapone und alle Ganoven gesperrt worden waren, stellten wir zwei Wachen auf. Dann kehrte Ruhe ein.
    Langsam nahm ich die Freitreppe zur Schlossterrasse nach oben. Ich merkte, dass ich müde war, aber trotzdem stieg ich freudig hinauf. Der Blick ging von der Treppe weit über die Halbinsel. Im Morgengrauen lag das kleine Dorf unter uns, die Kirche, der Friedhof, der winzige Hafen und dahinter das unendlich weite Meer, über dem sich der Horizont schon rötlich färbte.
    Die reine, klare Morgenluft strich den Hang herauf, trug den Geruch des Meeres in sich, das jetzt ganz glatt vor der Halbinsel lag, als ob es neu für diesen Tag bereitet war. Die königlichen Palmen reckten auf der Schlossterrasse ihre schuppigen Stämme in die Höhe und breiteten ganz oben ihr Gefieder wie einen zarten Federschmuck aus.
     
    Mein Vater saß noch im Rollstuhl auf der Schlossterrasse. Als ich die Terrasse betrat, öffnete er seine Arme, wartete, bis ich bei ihm war, und drückte mich ganz fest an sich. Hinter ihm stand die alte Elise und lächelte überglücklich. Auch sie schloss mich in die Arme und für einen Moment fühlte ich diese tiefe Geborgenheit, die sie mir schon als Kind gegeben hatte.
    »Ich bin froh, dass du da bist«, sagte mein Vater leise.
    Es lag kein Triumph in seinen Worten, auch keine übermäßige Freude, sondern so etwas wie Bedauern über alles, was geschehen war.
    »Ich auch«, antwortete ich.
    Dann gingen wir ins Schloss. Das Licht des Morgens fiel durch die zum Meer gerichteten Fenster in den Rittersaal. Die in Öl gemalten Porträts meiner Vorfahren hingen an den Seitenwänden und in dunklen Nischen, die nie von der Sonne getroffen wurden. Auffallend schön war das Bild meiner Mutter über der Tür. Irgendwie erinnerte es mich an Melanie, aber ich wusste nicht, warum, denn ihr Äußeres sah ganz anders aus.
    »Sie war die beste Frau, die ich haben konnte«, seufzte mein Vater mit einem Blick nach oben. »Leider hab ich das erst viel zu spät bemerkt.«
    Es lag so viel Wehmut in seinen Worten, dass er mir leidtat in seinem Rollstuhl, obwohl ich wusste, dass er meine Mutter in Wirklichkeit mit seinen Frauengeschichten ins Grab gebracht hatte.
    »Nun wirst du bald der Graf der Insel sein«, sagte er mit einem Blick auf sein eigenes Porträt, das über dem Kamin hing. »Nur eine Frau brauchst du noch, so will es das Gesetz.«
    Vielleicht hatte mich dieses Gesetz, wie er es nannte, in die Arme der vielen Frauen getrieben? Gina, Natalie, Melanie und all die anderen, vielleicht waren sie mir auf meiner Suche nach der Richtigen begegnet, die mich als Gräfin auf die Insel begleiten sollte. Ich strich mit der Hand über die Rüstung eines meiner Vorfahren, fühlte das kalte Metall, das sich glatt über seiner Brust gewölbt hatte, und musste daran denken, dass auch sie für ihr Schloss gekämpft hatten.
    »Ich werde mich auf die Suche machen«, sagte

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