Mainfall
ich und mein Vater nickte. »Aber zuerst muss ich mich noch um diesen Dolcapone kümmern und die Sache mit meinem falschen Grab.«
»Ja, das ist seltsam«, sagte mein Vater. »Sie hatten mir Fotos von deinem angeblichen Unfall gezeigt und gesagt, du seist so entstellt, dass man den Sarg sofort verschlossen habe. Ich kam leider wegen der schlimmen Bilder, auf denen von deinem Auto nur ein Haufen Blech zu sehen war, gar nicht auf die Idee, dass dies eine Lüge sein könnte.«
Wir unterhielten uns noch lange über all das Unheil, welches Claudine und Dolcapone über die Insel gebracht hatten. Dabei erwähnte mein Vater mit keinem Wort seinen Sturz von der Treppe. Ich hatte den Eindruck, dass er Claudine immer noch schützen wollte, die zusammen mit Dolcapone gefesselt im Verlies lag.
29
Am späten Vormittag, nachdem ich einige Stunden auf dem Sofa der Bibliothek geschlafen hatte, rief ich Kommissar Rotfux an.
»Hier der Graf der Île du vin«, meldete ich mich.
Er verstand zunächst nicht.
»Wer ist da?«, fragte er laut und ziemlich schlecht gelaunt.
Ich wiederholte. »Der Graf der Île du vin, Mittelmeer, Südfrankreich«, sagte ich.
»Ich verstehe nicht. Können Sie bitte deutlicher sprechen?«, rief Rotfux ins Telefon.
Ich sah ihn vor mir, in seinem Büro, mit seinem gelben Pulli und seinem aufgeregt wippenden Oberlippenbart. Ich stellte mir vor, wie er jetzt unruhig auf seinem Stuhl hin und her rutschte und den Hörer am liebsten wieder aufgelegt hätte, weil er sich diesen Anruf nicht erklären konnte. Um ihn doch an mich zu erinnern, sagte ich schließlich: »Hier ist der König von Aschaffenburg. Sie wissen schon, der aus dem Main.«
Jetzt war Rotfux hellwach.
»Sie sind das?«, schrie er ins Telefon. »Sie wagen es, mich anzurufen, nachdem Sie aus dem Krankenhaus geflüchtet sind? Unverschämt! Wo stecken Sie?«
Ich hielt den Hörer eine halbe Armlänge von meinem Ohr entfernt, so laut brüllte der Kommissar.
»Ich bin der Graf der Île du vin«, sagte ich dann, »Mittelmeer, Südfrankreich. Ich bin auf meinem Schloss.«
Ich hörte förmlich, wie Rotfux nach Luft schnappte.
»König, Graf, eigene Insel«, brüllte er wütend. »Wenn Sie mich auf den Arm nehmen wollen, dann sind Sie bei mir an den Falschen geraten. Ich werde Sie einlochen lassen, wenn ich Sie endlich erwische.«
Ich hatte den Kommissar noch nie so wütend erlebt. Er war nicht mehr zimperlich in seiner Wortwahl, nannte mich Teufelsbrut, sagte, dass er mir kein Wort mehr glaube, und ich war nahe daran, einfach aufzulegen und mich an die französische Polizei zu wenden. Doch irgendetwas hielt mich zurück.
»Herr Kommissar«, startete ich einen letzten Versuch, »es tut mir leid, dass ich Ihnen so viel Ärger bereitet habe, aber ich habe jetzt wirklich herausgefunden, wer ich bin, und mir ist es gelungen, einen Mafiaboss zu fangen. Er heißt Dolcapone.«
Kaum hatte ich den Namen genannt, wurde Rotfux plötzlich sehr freundlich.
»Sie kennen Dolcapone?«
»Ich kenne ihn nicht nur, ich habe ihn, wie gesagt, gefangen. Er liegt im Verlies unseres Schlosses.«
Ich hörte, wie Rotfux schluckte.
»Gefangen?«, fragte er ungläubig.
»Das sagte ich doch!«
»Aber der ist sehr gefährlich«, stammelte der Kommissar.
»Das haben wir gemerkt. Er hat zwei meiner Männer verwundet.«
»Lebensgefährlich?«, fragte Rotfux.
»Nein. Einen am Bein, den anderen am Arm. Das wird schon wieder.«
»Na, Gott sei Dank!«
Rotfux hörte sich jetzt geradezu fürsorglich an. Ich berichtete ihm von meiner Flucht nach Südfrankreich, von meinem Kampf um die Insel, von dem Grab, in dem ich angeblich liegen sollte, und er hörte beeindruckt zu. Zum Schluss beschrieb ich ihm, wie er die Halbinsel finden konnte.
»Ich werde so schnell wie möglich da sein«, sagte er. »Sorgen Sie dafür, dass Dolcapone nicht entkommt. Er darf auf keinen Fall Kontakt mit seiner Zentrale in Marseille aufnehmen, sonst wird Ihre Halbinsel von seinen Leuten überrannt.«
Nachdem ich aufgelegt hatte, kontrollierte ich sofort das Verlies. Es war verschlossen und ich konnte Dolcapone durch die Gitterstäbe am Eingang erkennen. Ich verstärkte die Wachen und ordnete an, dass Essen und Trinken nur durch die Gitterstäbe gereicht werden dürfe.
»Das Tor zum Verlies darf unter keinen Umständen geöffnet werden«, sagte ich zu Jacques, der mittlerweile so etwas wie meine rechte Hand auf der Insel war, und ich war mir ziemlich sicher, dass er meine Anweisung peinlich genau
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