Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mainfall

Mainfall

Titel: Mainfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Woelm
Vom Netzwerk:
Knochen weh. Die Dämmerung schlich bereits durch die Kirchenfenster herein und tauchte alles in ein fades graues Licht. Der Herr an seinem Kreuz schien noch zu schlafen, jedenfalls hatte er die Augen geschlossen und sah mich wieder nicht an. Mir war kalt und ich setzte mich langsam auf. Scheppernd fiel die Coladose von der Bank und jagte mir einen höllischen Schrecken ein. Oskar bellte. Ich blieb ganz still sitzen und hielt die Luft an. Dann hob ich die Dose auf und steckte sie in meine linke Manteltasche.
    Was sollte ich jetzt tun?
    Sicher würde bald die Morgenmesse beginnen und ich konnte nicht länger in der Basilika bleiben. Also erhob ich mich und suchte mit Oskar Schutz hinter dem überlebensgroßen Denkmal für Bischof Friedrich Karl Joseph von Erthal. Wenig später drehte sich tatsächlich der Schlüssel im Hauptportal. Ich hielt die Luft an, presste mich ganz flach in die Nische unterhalb des Fensters neben dem Denkmal und hielt Oskar die Schnauze zu. Das Hauptportal öffnete sich, die Flügel des Windfanges schlugen und ich sah den Küster über den roten Teppich in Richtung Altar gehen.
    Jetzt oder nie, hämmerte es hinter meiner Stirn. Ich packte Oskar und huschte in die Vorhalle der Basilika, stieß den hölzernen Flügel des Windfanges auf, öffnete schnell das Portal und stand wenig später draußen vor der Kirche. Ich sah mich nicht um, nicht nach links und rechts, eilte mit dem Hund vor der Brust die Freitreppe zum Stiftsplatz hinab, überquerte den Platz, ging am Parkhaus entlang und rechts um die Ecke bis zum Eingang ins Parkhaus.
    ›WC‹ sah ich dort angeschrieben. Sehr gut, dachte ich. Ich nahm Oskar auf den Arm und mit in die Toilette, da ich ihn so früh am Morgen nicht allein vor dem Parkhauseingang lassen wollte. Wenig später stand ich dicht vor einem weißen Porzellanpissoir, knöpfte meinen Regenmantel und die Hose auf, hielt den Mantel vorsichtig beiseite und war froh, als sich in kräftigem Strahl der Druck der vergangenen Nacht entlud. So groß konnten die kleinen Freuden dieser Welt sein. Ich war erleichtert – im wahrsten Sinne des Wortes.

4
    Als ich gerade dabei war, meine Hose wieder zuzuknöpfen, kamen zwei Männer ins WC. Wie Motorradrocker sahen sie aus: Lederstiefel, Lederjacken, Lederhandschuhe, allerdings nicht mit Motorradhelmen, sondern mit breitkrempigen Lederhüten auf dem Kopf. Mein Gott, die Penner von gestern, dachte ich. Ich drückte Oskar fest an mich, in der Hoffnung, dass er nicht bellen würde. Es fiel mir schwer, Hose und Mantel mit der einen freien Hand zu schließen. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass die beiden Penner rechts und links von mir ans Pissoir traten. Ich wunderte mich, dass sie am frühen Morgen Sonnenbrillen trugen, und konnte erkennen, dass einer der beiden eine tiefe Narbe über der rechten Wange hatte. Ansonsten beachtete ich sie nicht weiter, da ich voll mit Oskar und meinen Mantelknöpfen beschäftigt war.
    »Jetzt«, sagte plötzlich der mit der Narbe links von mir.
    Im selben Augenblick packte mich der andere, drehte mir den freien Arm auf den Rücken und zerrte mich aus dem Klo hinaus zum Aufzug des Parkhauses. Hier wartete ein dritter Komplize, ebenso gekleidet wie die beiden anderen, der den Aufzug schon herbeigerufen hatte.
    »Los, rein mit ihm«, sagte er und sie stießen mich in den Aufzug.
    Oskar begann, wie verrückt zu bellen, und wollte um sich beißen, aber ich versuchte ihn zu beruhigen, denn mit den drei Ganoven hätte er es schwerlich aufnehmen können. Noch im Aufzug setzten sie mir eine dunkle Sonnenbrille auf, die aber innen abgeklebt war und durch die ich fast nichts mehr erkennen konnte.
    »Keine Mätzchen«, sprach derjenige, der meinen Arm ganz fest im Griff hatte. »Wenn du schreist, machen wir dich alle!« Wie zur Betonung drückte er meinen Arm noch kräftiger nach oben und ich hätte vor Schmerzen brüllen können.
    Als der Lift hielt, fragte einer der Ganoven: »Ist die Luft rein?«
    Es dauerte einen Moment. Sie schienen sich auf dem Parkdeck umzuschauen.
    »Alles klar, jetzt schnell«, kam das Kommando und sie zerrten mich quer über das Parkdeck. Ich erkannte durch die nicht durchgängig abgeklebten Gläser der Sonnenbrille, dass sie mich zu einem grauen Auto führten, wahrscheinlich einem Lieferwagen, da die Türen seitlich geöffnet wurden.
    »Los, steig ein«, schnauzte mich derjenige an, der mir die ganze Zeit meinen Arm auf den Rücken drehte. Ich bemühte mich, meine Füße anzuheben und in den

Weitere Kostenlose Bücher