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Make it count - Gefühlsbeben (German Edition)

Make it count - Gefühlsbeben (German Edition)

Titel: Make it count - Gefühlsbeben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Price
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Zügen gelaufen. Aber irgendwann war uns das nicht mehr genug und wir haben eine neue Herausforderung gesucht. Schneller, höher, weiter.”
    Jareds Augen lassen mich keinen Moment los, als wollte er mir, zusätzlich zu seiner Umarmung, auch noch diese Art der Sicherheit geben.
    „Irgendwann haben wir angefangen, den Zügen auszuweichen. Wir haben uns auf die Gleise gestellt und geschaut, wer länger stehen bleibt. Es ist total idiotisch gewesen. Aber wir sind kein Risiko eingegangen. Zehn Meter, dann hatten wir die Hose voll und waren weg.”
    Das stimmt. Wir sind nie so verrückt gewesen und haben den Zug auch nur ansatzweise zu nah an uns herangelassen. Es war einfach die billigste Version von Nervenkitzel, die wir kriegen konnten. Oceanside mit seinem Pier und der Promenade, den Yachten im Hafen und dem Feuerwerk zum 4. Juli … Das alles wurde uns zu eng.
    „Simon wollte zum Pier, aber ich fand das langweilig. Ein letztes Mal Zugausweichen. Nur noch ein einziges Mal. Simon wollte zuerst …”
    Niemals werde ich diesen Tag vergessen. Manchmal träume ich davon und verändere im Traum die Geschehnisse, lasse mich auf den Abstecher zum Pier ein oder versuche, vor dem Zug aufzuwachen. Aber jedes Mal, wenn ich wieder aufwache, ist alles wie immer. Simon ist nicht da. Ich bin alleine.
    „Er hatte so viel Zeit. Der Zug war weit weg … Wir haben gelacht und dann, als es Zeit wurde … ging es nicht.”
    Simons Gesicht, als die Panik von ihm Besitz ergriffen hat, als ihm klar wurde, diesmal wird alles anders. Seine Augen …
    „Er hing mit dem Stiefel fest. Zwischen den Gleisen.”
    Ich sehe alles wieder vor mir: Simons Schnürstiefel. Mein Versuch, den verdammten Knoten zu lösen. Meine Hände haben so gezittert. Simons Flehen, das Weinen, die Angst. Seine und meine. Wie stemmt man sich gegen das Unaufhaltsame? Seine Stimme ist so laut in meinem Kopf, als wäre er jetzt hier. Wie er meinen Namen ruft …
    Meine Augen brennen, bevor die erste Träne über meine Wange rollt und Jareds Arm sich fester um mich legt.
    „Ich habe den Knoten nicht aufgekriegt.”
    Das ist die Wahrheit. Simon ist vom Zug erwischt worden, weil sein Fuß zwischen den Gleisen gesteckt hat. Und weil ich zu schwach war.
    „Lynn, das ist nicht deine Schuld.”
    „Er hat mich weggestoßen. Einfach so.”
    Sein Blick, seine Bitte ich solle gehen, weil er das verstand, was ich nicht akzeptieren wollte: An diesem Tag, auf diesen Gleisen, wegen unserer dummen Mutprobe … war unsere Freundschaft zu Ende. Nicht, weil wir es so gewollt oder geplant hatten, sondern weil das Schicksal zugeschlagen hat.
    „Er hat mich weggestoßen. Ich konnte den Knoten nicht aufmachen … ”
    Jareds Gesicht verschwimmt durch die Tränen und ich fange an, hemmungslos zu weinen. So habe ich nicht mal auf Simons Beerdigung geweint, weil ich damals noch immer geglaubt habe, er würde eines Tages wieder vor meiner Tür stehen. Mich abholen, mit mir zusammen all unsere Träume erfüllen. Jetzt sind die Jahre vergangen – und das Loch in meinem Inneren klafft noch so frisch wie an diesem Tag auf den Gleisen. Ich klammere mich an Jared, vergrabe mein Gesicht an seiner Brust, und bin doch trotz des Schmerzes der Erinnerung so unglaublich froh, es endlich ausgesprochen zu haben. Während ich wie ein Kind weine, hält Jared mich und streichelt mir beruhigend über den Rücken. Als ich mich etwas beruhigt habe, bringe ich etwas Abstand zwischen uns und lasse mich von seinen Augen trösten. Er legt seine Hand an meine Wange und streicht mit dem Daumen die Tränen von meinem Gesicht.
    „Manchmal tun Menschen, die uns sehr lieben, Dinge, die wir nicht verstehen können.”
    Er flüstert es nur, aber es sind genau die Worte, die ich all die Jahre hören wollte. Die Simons Tod vielleicht nicht erklären und den Schmerz nicht wegnehmen können, die aber dennoch wahr sind. Langsam greift Jared unter sein T-Shirt und zieht die Kette hervor, ohne die ich ihn noch nie gesehen habe.
    „Die gehört meinem großen Bruder. Jason.”
    Er sieht mich an, als würde das alles erklären. Sein Blick spiegelt, was ich auch fühle. Was ich immer fühle, wenn ich hier bin. Das ist erschreckend und beruhigend. Nie habe ich mir die Kette mit den winzigen, eingestanzten Buchstaben und Zahlen so genau angesehen. Vielleicht, weil er mich nie so nah an sich rangelassen hat. Jetzt greife ich danach und sehe sie mir genauer an. Da steht Jasons Name. Seine Sozialversicherungsnummer, die Blutgruppe und

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