Make it count - Gefühlsbeben (German Edition)
fehlt mir so schrecklich.”
Das darf nicht passieren, aber ich bin nicht mehr stark genug. Oceanside und Jared ringen mich zu Boden. Zum ersten Mal seit drei Jahren gebe ich auf. Lasse los. Und hoffe, dass der Fall nicht zu schmerzhaft enden wird. Doch obwohl ich auf den harten Aufprall warte – er kommt nicht. Schuld daran ist Jared Parker.
Wir sitzen unter der Tribüne im Stadion, während das Gewitter über unsere Köpfe fegt. Die Luft riecht mehr denn je nach Sommer und die Nässe auf meiner Haut fühlt sich kühl an. Ich lehne in Jareds Umarmung und beruhige mich langsam wieder. So war das alles niemals geplant. Obwohl ich mich schämen sollte, dass Jared meinen Gefühlsausbruch miterlebt hat, fühlt es sich nicht so schlimm an, wie ich es erwartet hatte. Er fährt mir sanft über den Arm, ich spüre seine Brust an meiner und seinen Atem an meiner Wange. Er hat keine Fragen gestellt, mich nur hierher ins Trockene geführt und mich nicht losgelassen. Weil er spürt, dass ich diesen Halt brauche.
„Ich habe Simon schon vor der Junior High gekannt. Er war der Junge, mit dem keiner spielen wollte.”
Die Erinnerung an ihn, wie er seine gestreifte Latzhose trug, lässt mich kurz lächeln. Die frechen Locken, die große Zahnlücke. Ja, er kam aus dem miesen Viertel von Oceanside. Aus dem Viertel, in dem Dave noch immer wohnt, und das die Stadt gerne verschweigt, weil es Touristen abschrecken könnte, als wäre es ein Getto. Dabei sind dort nur die Häuser kleiner und die Autos sind Gebrauchtwagen.
„Meine Mom fand ihn schrecklich. Aber ich habe ihn sofort gemocht.”
„Er war dein bester Freund.”
Ich nicke langsam. Es schmerzt, die Vergangenheitsform für unsere Geschichte wählen zu müssen.
„Wenn andere gelacht haben, hat Simon an mich geglaubt. Ich wusste, ich könnte alles schaffen, solange er da war.”
Kurz schaue ich zu Jared, aus Angst, er könnte das falsch verstehen. Sein Blick ist traurig und ehrlich berührt. Ich spreche nicht mehr über Simon. Vielleicht sind meine Worte nicht die besten, um den Menschen zu beschreiben, der mein bester Freund war – und der ein Loch in mein Leben gerissen hat.
„Was ist dann passiert?”
Er stellt die Frage flüsternd, weil er mich nicht drängen will. Die ganze Geschichte, die Wahrheit, kennt niemand außer mir. Ich habe mir geschworen, sie niemals zu erzählen, auch wenn sich hier und jetzt alles perfekt anfühlt. Jared ist der Zuhörer, den ich mir immer gewünscht habe. Einmal alles aussprechen, es nicht mehr Tag für Tag mittragen müssen. Fast hätte ich für dieses Anliegen vor einiger Zeit den falschen Menschen gewählt. Trevor, der so hartnäckig war, der immer wieder nachgefragt hat, weil Sarah ihm erzählt hat, etwas würde mit mir nicht stimmen. Er sprach von einem Geheimnis, das es zu lüften galt. Simon ist mein Geheimnis – und Trevor ist nicht der Mensch, mit dem ich es teilen möchte. Jared scheint meine Gedanken lesen zu können.
„Hör zu, du musst es mir nicht erzählen …”
„Ich dachte, ich würde es nie aussprechen. Weil niemand es verstehen kann.”
Er legt sanft seine Hand an meine Wange.
„Ich bin nicht …”
Dann verstummt er und sieht kurz auf meine Lippen. Er ist nicht … was? Wieso hat er abgebrochen?
„... wie die anderen?”
„Ich bin ganz gut darin, ein Geheimnis zu bewahren.”
Sein Blick wandert zurück zu meinen Augen und er versucht ein Lächeln, das müde wirkt. Der Tag ist auch an ihm nicht spurlos vorbeigegangen. Was, wenn ich ihm alles erzähle? Was wird dann aus uns in Boston? Was würde es alles verändern?
„Es ist nur … Ich habe das niemandem erzählt. Nie.”
Nicht einmal Dave. Vor allem nicht Dave. Er hat nie gefragt, weil er es nicht wissen will. Weil er weiß, wenn ich es ihm erzähle, bricht sein Herz endgültig. Inzwischen hat er seine eigene Version über den Tod seines Sohnes für sich gefunden, und die werde ich ihm nicht nehmen. So, wie niemand mir meine Version nehmen kann.
„Wenn du irgendwann mal soweit bist. Ich bin da.”
Aber vielleicht kann Jared mir ein Stück der Last abnehmen? Es ist der Blick in seinen Augen. Was ich dort sehe, erkenne ich selbst jeden Tag, wenn ich in den Spiegel sehe … Die Armykette, die er immer trägt. Wie eine Erinnerung. Wir sind beide kaputt. An unterschiedlichen Stellen zerbrochen – und vielleicht ergeben wir gemeinsam ein Ganzes. Ich hole tief Luft.
„Wir waren bei den Gleisen. So wie immer. Wir sind Wettrennen mit den
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