Make it count - Gefühlsgewitter (German Edition)
in dem Moment, als er aus dem Fenster steigt und mir einen letzten Blick zuwirft, wird mir klar, dass wir uns nicht vertrauen. Zumindest nicht genug. Wir tragen beide unsere Maske. Eine Maske, die wir hassen, aber niemals abnehmen. Eine Maske, an die wir uns so sehr gewöhnt haben, dass sie uns meistens nicht einmal auffällt. Doch sie ist da. Es ist die Angst. Und gerade spüre ich sie.
Den ganzen Tag begleitet mich jetzt schon dieses ungute Gefühl. Es breitet sich mulmig in meinem Magen aus wie ein Geschwür, als würde bald etwas Schreckliches passieren. Es ist bereits halb elf und die Sonne hat sich längst hinter dem Horizont verkrochen, um irgendwo anders aufzugehen. Der Tag neigt sich dem Ende zu und ich bin fast erleichtert, dass ich bald ins Bett gehen kann.
Seit Stunden warte ich jetzt schon auf eine Nachricht von Dillen – die nicht kommt. Auf einen Anruf, oder sonst irgendein Lebenszeichen. Ich starre in den Badezimmerspiegel und schüttle den Kopf. Schon seltsam, heute Morgen dachte ich noch, Dillen und ich würden den gesamten Tag im Bett verbringen. Ich dachte, es wäre einer von den Tagen, die sich für immer in mein Gedächtnis brennen.
Stattdessen habe ich noch einmal geduscht, ein bisschen gelesen, mir mit einer Nagelschere die Haarspitzen geschnitten, meine Fingernägel mit einem pinken Nagellack von Mrs. MacDougall lackiert und dann gleich wieder entfernt, weil er so furchtbar aussah, ein paar Frauenzeitschriften studiert und wütend weggelegt, weil sie mir mal wieder das Gefühl gegeben haben, dass man etwas gegen seine zu kleinen Brüste unternehmen muss. Und dazwischen habe ich im Drei-Minuten-Takt auf mein Handy-Display gesehen.
Während ich mit einem Buch bewaffnet aus dem Fenster klettere und mir einrede, dass ich nichts lieber tun würde, als zu lesen, flackern Bilder der letzten Nacht durch meine Gedanken. Dillens Lippen auf meinen, seine Hände und dieser Duft. Der Ausdruck in seinen Augen, als er mich wegen dem Ball gefragt hat. Ein paar Tage. Ich wollte nie nach Oceanside. Ich habe den Gedanken an diesen Ort gehasst, den Klang des Namens. Alles. Und jetzt bringt es mich fast um, dass ich bald gehen werde. Zumindest, wenn ich weiß, dass Dillen hier sein wird. Ich will da sein, wo er ist. Ich will meine Hand ausstrecken und wissen, dass er sie nehmen wird. Ich weiß, was mein Dad sagen würde. Er würde mich schief anlächeln und sagen, Make it count, Kiddo. Und ich weiß, dass er recht hat. Ich darf nicht darauf warten, dass jemand anderes meinem Leben einen Sinn gibt. Aber das ändert nichts daran, dass es so ist. Und ich habe nicht darauf gewartet. Im Gegenteil . Ich wollte meinen eigenen Weg gehen. Allein . Aber dann kam Dillen.
37. Kapitel
Dieses Mal bin ich mir sicher, dass ich etwas gehört habe. Ich setze mich auf und horche. Da ist jemand im Haus. Ich strecke die Hand aus und schalte das kleine Licht auf meinem Nachttisch ein, während jeder Muskel in meinem Körper sich verspannt. Das grelle Licht sticht in meinen Augen und ich blinzle dagegen an. Okay, Kate. Vielleicht hast du nur schlecht geträumt. Ein lauter Knall lässt mich unvermittelt hochschrecken. Also gut. Kein Traum. Ganz ruhig, Kate, da ist nichts. Bestimmt ist es nur irgendeiner der Angestellten. Ich schaue auf die Uhr. 2:35. Einen Augenblick spiele ich mit dem Gedanken, Dillen anzurufen, aber ich traue mich nicht. Und das nicht nur wegen der Uhrzeit. Andrew . Aber Andrew würde über eine Stunde hierher brauchen. Ich könnte die Polizei rufen. Und was, wenn es dann doch nur Rosa ist? Ich atme tief ein und werfe die Decke zurück. Auf Zehenspitzen schleiche ich zur Tür. Meine Hand liegt zitternd auf der Klinke. Komm schon, Kate. Mach sie auf. Ich öffne sie lautlos. Als ich im Flur stehe, wähle ich 911. Mein Daumen schwebt wartend über dem Wählen-Button.
„Hey, ich weiß, dass das scheiße war, aber was hätte ich denn machen sollen?!“, hallt eine Stimme durch den Eingangsbereich. „Ich konnte ja nicht ahnen, dass du plötzlich ausrastest! Das sieht dir gar nicht ähnlich... was ist bloß los mit dir?“
Ich steige die Stufen hinunter. Meine Knie sind weich und mein Atem flach, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Einbrecher sich so laut unterhalten würden.
„Was war da vorhin los?!“
„Fuck, lass mich endlich in Ruhe!“ Andrew .
„Los, sag schon, was ist in letzter Zeit los mit dir?“
„GAR nichts. Okay?“
„Gar nichts?!“ Die zweite Stimme wird laut. „Erst
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