Make it count - Gefühlsgewitter (German Edition)
ist. Hier flackerten die Kerzen. Genau hier haben wir uns geküsst. Das ist der Moment, in dem die Erinnerung einen Film vor meinem inneren Auge abspielt. Fragmente, die ein Ganzes ergeben. Ungebetene Bilder. Eine Flut, die über mich hereinbricht. Sie sind gestochen scharf. Und sie tun genauso weh. Dieses Dach ist der Anfang und das Ende unserer Geschichte. Einer Geschichte, die viel zu schnell gestorben ist. Wie eine Knospe, die bereits abfällt, bevor sie wirklich blühen konnte.
Ich sehe mich, wie ich mich davonstehle. Zum Steg. Zu ihm . Ich spüre noch das Herzklopfen und die Gänsehaut. Ich sehe Dillens Gesichtsausdruck, in der Sekunde bevor er mich küsst. Dieses Brennen in seinem Blick. Ich spüre seine zitternden Hände auf meiner Haut und rieche diesen Duft. Ich sehe uns auf der Ladefläche des Pickups liegen und wie er mit geschlossenen Augen mein Lied anhört. Ich höre ihn sagen Es ist wie du. Es waren Augenblicke. Sie waren viel zu kurz und es waren viel zu wenige. Ich atme tief ein und setze mich auf mein Stückchen Dach. Die dunklen Schieferplatten sind warm. Genau hier lagen wir. Es war unsere Nacht. Es gab nur uns und die Sterne.
Ich kann seinen Brief nicht öffnen. Denn wenn ich ihn aufmache, wird er das letzte Fünkchen Hoffnung auslöschen. Ich werde seine Worte lesen und es wird wehtun. Es werden die letzten Worte einer Geschichte sein, von der ich mir gewünscht hätte, dass sie niemals endet. Aber nur, weil ich sie nicht lese, sind seine Worte nicht weniger wahr. Er hat sie geschrieben. Er hat dafür gesorgt, dass sie mich erreichen. Es macht also keinen Unterschied mehr. Die Tinte ist getrocknet und es gibt kein Zurück.
Ich atme tief ein und ziehe eine einzelne Seite aus dem weißen Standard-Umschlag. Ich falte seinen Brief auf. Er ist auf beiden Seiten eng beschrieben. Das Papier knistert zwischen meinen Fingern. So sieht sie also aus. Dillens Handschrift. Ich sehe sie zum ersten Mal. Und vermutlich auch zum letzten.
Ich seufze, so als würde mir das die Kraft geben, der Hoffnung bei ihrem Todeskampf zuzusehen. Komm schon, Katie, du wirst ihn ohnehin lesen. Du kannst gar nicht anders .
Liebe Katie,
mit dir habe ich nicht gerechnet. Mit dir und diesen Gefühlen. Weder mit den Zweifeln, noch dem Verlangen. Ich wusste, wer ich bin und wie mein Leben aussieht. Und ich wusste, was mich erwartet. Zumindest bis ich dich gesehen habe. Du bist ganz plötzlich in mein Leben gestolpert und hast alles durcheinander gebracht.
Ich weiß, dass ich dir heute wehgetan habe. Und ob du es glaubst oder nicht, den Schmerz in deinen Augen zu sehen und zu wissen, dass ich dafür verantwortlich bin – dass es meine Worte waren – hat mir bestimmt genauso wehgetan wie dir.
Ich war verletzt. Mehr als du dir vorstellen kannst. Jetzt kann ich das sagen. In dem Moment konnte ich es nicht. Als meine Worte als Tränen über deine Wangen gelaufen sind, habe ich erst gemerkt, dass wir beide nie das sein können, was ich will. Egal wie sehr wir uns bemühen. Ich würde dich nur bremsen und du würdest unerfüllbare Hoffnungen in mir schüren. Mich zu all den Träumen ermutigen, die für mich ja doch nie wahr werden.
Ich dachte, wir könnten es schaffen. Aber das stimmt nicht. Und das nicht nur wegen Andrew. Die Wahrheit ist, dich anzusehen tut weh. Du hast mir gezeigt, dass mein Leben auch anders aussehen könnte. Aber du wirst gehen. Mit ihm. Und ich werde bleiben. Auf dich wartet die Welt – auf mich nur Oceanside. Und genau das tut weh, weil du mir eine Zukunft gezeigt hast, die ich nie haben kann. Du bist zum Greifen nah, aber wenn ich die Hand ausstrecke, verschwindest du. Du wirst gehen und ich werde dich verlieren. Du wirst verblassen, bis du dich schließlich vor meinen Augen in Luft auflöst. Wie eine Fatamorgana, eine Illusion.
Ich wollte dir nicht nachgeben. Den Bildern und Gedanken. Aber du hast mich durchschaut. Mich berührt. Nicht locker gelassen. Weil du mehr in mir gesehen hast, als da tatsächlich ist. Ich wollte dir widerstehen. Dir und der Versuchung. Aber ich konnte es nicht.
Ich weiß, es gab nur ein paar Momente, aber ich werde keinen einzigen davon vergessen. Weder unseren ersten Kuss, noch das Sommergewitter auf dem Steg, das Kribbeln in deiner Nähe, dieses berauschende Gefühl am Leben zu sein. So sehr am Leben, dass ich es kaum aushalten konnte. Ich werde nicht vergessen, wie ich dich abgetrocknet habe. Und auch nicht den Gesichtsausdruck, als du unter mir explodiert bist.
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