Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)
Rette
Leben. Rette dein Leben!“
Ich zögere. Josch ist der Hammer. Ich
bin sicher, er weiß auch, dass das hier nicht lange gut gehen wird. Die
Gorillas werden ihn plattmachen, wenn sie den Bluff durchschauen.
„Los!“, brüllt er.
Ich habe es geschafft. Mit Josch’s
Hilfe hab ich es geschafft. Josch, dieser großartige kleine Kerl. Dieser König
der Nerds.
Zwei Freunde haben sich für mich
geopfert. Für eine Sache, von der sie augenscheinlich nicht mal völlig überzeugt
waren. Sie taten es für mich. Für meine Überzeugung. Für einen Freund. Gibt es
Größeres im Leben? In meinem nicht. Wenn ich jetzt sterbe, dann glücklich.
Die Dämmerung ist über London
hereingebrochen. Ich stehe am seitlichen Zugang zur Bühne. Die bunten Lichter
blenden mich. Vor der Bühne die schemenhafte Menge. Sie rauscht wie das wogende
Meer in der Dunkelheit. Vereinzelte Feuerzeuge, die Glut einer Zigarette, ein
Blitzlicht wie das Mondlicht, das sich in der Gischt einer gebrochenen Welle
spiegelt. Um mich herum herrscht geschäftiges Treiben. Kommandos werden in
Walkie-Talkies gesprochen. Techniker nehmen ihre Plätze an riesigen Pulten ein.
Auf der Bühne wird mit Hochdruck der finale Auftritt vorbereitet. Roadies
checken die Instrumente, geben Signale mit Taschenlampenlicht und räumen das
Feld. Schlagartig erlischt die Bühnenbeleuchtung. Tosender Applaus. Die Menschenmenge
steht dicht und wiegt sich wie Schilf im Wind. Eine junge Frau mit Headset
schiebt mich beiseite. Musiker laufen auf die Bühne. Sie schultern Gitarren,
der Drummer tritt zweimal laut in die Bassdrum. Er sucht den Blick der Band.
Kurzes Nicken, nervöses Lächeln, dann schlägt er die Sticks über seinem Kopf
aneinander.
One, two, three,
four.
Alle Lichter an!
Die ersten Töne des Intros rollen
wie eine Welle durchs Stadion. Es gelingt mir nur mit Mühe, mich nicht von ihr
mitreißen zu lassen.
Wo ist er?
Ich zähle sechs Handkameras. Zu
jeder gehört ein Kabelträger. Einer von ihnen ist Jan van Schewick.
Die Band verharrt im Intro und
erwartet den Aufmarsch der Stars. Das Publikum klatscht den Takt, die Arme in
der Luft. Durch den schwach beleuchteten Flur kommen sie auf mich zu. Simon Le
Bon. Paul Weller. George Martin. Sting. Die ganze Band Aid .
Ich muss sie warnen!
David Bowie steht mir am nächsten.
Er starrt hoch konzentriert geradeaus. Ich schlucke, strecke meinen Arm, um ihn
am Ärmel seines hellgrauen Jacketts zu berühren. Aus dem Nichts ergreift etwas
meinen Arm. Der rasierte Gorilla schiebt sich zwischen David und mich. Seine
fleischige Hand umfasst mein Handgelenk wie ein Schraubstock. Er blickt zornig
auf mich hinab und brüllt Worte, die ich nicht verstehe. Furchtbar erschrocken
plappere ich drauf los.
„Die Band darf nicht da raus!
Gleich wird sich ein furchtbares Unglück ereignen! Das Stadion muss sofort
evakuiert werden! Bombe!“
Er kann oder will kein Wort
verstehen, hebt mich mit Leichtigkeit hoch und wirft mich über seine breite
Schulter wie einen Mehlsack.
Ich protestiere, brülle ihm ins Ohr
und strample mit Armen und Beinen.
„Bombe“, kreische ich wieder und
wieder. „Bombe!“
Es hilft nichts. Völlig
unbeeindruckt stapft er los, um mich zu entfernen. Weil ich ein Störenfried
bin. Doch plötzlich hält er inne. Jemand hat sich ihm in den Weg gestellt. Der
Gorilla argumentiert, erklärt die Situation. Aber eine Stimme, die mir bekannt
vorkommt, wiederholt eindringlich ihre Forderung, mich sofort abzusetzen. Und
tatsächlich – er gibt nach, stellt mich auf meine Füße und verschwindet. Ich
wende mich meinem Retter zu, um mich zu bedanken. Blackout .
Der kleine Mann mit seiner
überdrehten Vokuhila-Frisur und einem schwarzen Zirkusjäckchen lächelt mich an
wie ein Kobold.
„Are you okay?“, fragt er und zieht
an seiner Zigarette.
„I am okay, Bono“, hauche ich.
Bevor mir etwas einfällt, was der
Erhabenheit dieses Augenblickes gerecht wird, legt Bono mir eine Hand in den
Nacken und zieht mein Ohr ganz dicht an seinen Mund.
„You are the
future“, flüstert er.
Sprechen kann ich nicht mehr. Darum
braucht die Welt Rockstars! Aus seinem Mund ist diese Plattitüde, diese simple
Scheißhausparole wie die Zehn Gebote und die finale, unumstößliche
Wahrheit allen Seins.
Ich nicke und schlucke den Kloß in
meinem Hals mit Mühe runter. Dieser Mann stirbt heute nicht! Niemand stirbt
hier heute! Bono klopft mir auf die Schulter und lässt mich stehen. Ruhigen
Schrittes betritt er zusammen mit
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