Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)
Ich
schüttle Josch die Hand. Er sieht mich nicht an. Ich hatte mir vorgenommen,
mich bei ihm für seine Hilfe zu bedanken. Aber jetzt, wo es soweit ist, kriege
ich es nicht hin. Josch drückt mir seinen 50-DM-Schein in die Hand.
„Vielleicht kannst du den
brauchen“, murmelt er.
Dann greift Tina meinen Arm und
zieht mich weg. Sie lacht, und sie hat recht. Denn trotz allem ist es der Wahnsinn,
hier zu sein. Hand in Hand laufen wir los. Es ist wie in einem Videoclip.
Vielleicht Take on me von a-ha . Vorbei an Breakdancern an den
Straßenecken, die zur Musik von Grandmaster Flash aus ihrem
Ghettoblaster abgehen. Vorbei an Straßenmusikern mit Trommeln und Gitarren.
Biertrinkende Engländer mit breiten Schnurrbärten und Muskelshirts.
New Waver und Gothics, die sich in Häusereingängen zusammendrängen und
sich vor der Sonne verstecken, die ihren blassen Teint verbrennen will. Punks
mit Hunden, die Halstücher tragen. Bobbys, die sich geduldig von betrunkenen
Teenagern fotografieren lassen. Ich bin atemlos, überwältigt. Bettina brennt,
zieht mich weiter mit sich, wenn ich stehen bleibe und schaue, mir die Menschen
ansehe, denen ich heute das Leben retten werde. Und dann stehen wir vor dem
Stadion.
Bettina muss es erfahren.
„Das hier“, erkläre ich, „ist das
Tadsch Mahal des Rock ’n’ Roll. Das Camelot des Pop. Gottes grüne
Wiese. Geweihter Boden.“
„Schon gut!“, lacht sie.
Der Schwarzhändler will 200
britische Pfund. Für eine Karte. Danke, Mann, nichts zu machen. Verflucht – so
nah und doch so fern. Eine afrikanische Tanztruppe zieht an uns vorüber. Ihr
kehliger Gesang geht mir auf die Nerven, aber Bettina ist ganz begeistert. Ich
bitte sie, sich auf die Sache zu konzentrieren. Sie erwidert, ich solle mich
nicht aufführen wie ihr Vater. Das stimmt. Ich werde immer unfair, wenn ich
unter Druck stehe.
„Entschuldige“, sage ich zu
Bettina. Fühlt sich gut an.
„Schwamm drüber“, erwidert sie.
Hilfe suchend schaue ich über den
Parkplatz. Aber wo soll hier Hilfe herkommen? Aus dem Stadion schallt die Musik
zu uns herüber. U2 spielt. Dann ist es jetzt kurz nach 17 Uhr Ortszeit.
Es ist noch früh genug. Um 21:54 Uhr wird die Band Aid die Bühne
betreten. 180 Sekunden später passiert es dann.
Wenn Josch nur hier wäre. Dem würde
bestimmt etwas einfallen, diesem Teufelskerl.
„Lass uns mal um das Stadion
gehen“, schlägt Bettina vor. Mir erscheint das sinnlos. Aber eine bessere Idee
habe ich auch nicht.
Weit kommen wir nicht. Der Bereich
hinter der Bühne ist bereits außerhalb des Stadions großzügig abgesperrt. Zäune
mit blickdichten Folien. Eine große Einfahrt wird von Polizisten bewacht. Viele
Zuschauer säumen den Weg hinein wie beim Zieleinlauf eines Marathons.
Autogrammjäger. Man müsste eine Maus sein oder unsichtbar, um da durchzukommen.
Ich könnte mich ohrfeigen, dass ich
mir keine Gedanken gemacht habe, wie ich da reinkomme. Ehrlich gesagt habe ich
nicht wirklich geglaubt, dass wir es überhaupt bis hierher schaffen. Bettina
fasst mich bei den Händen und blickt mir tief in die Augen:
„Ich frage dich das jetzt nur
einmal: Ist all das, was du erzählt hast, dein voller Ernst?“
Ihr Blick geht tief. Aber ich halte
ihm stand, weil ich immer aufrichtig zu ihr war.
„Jedes verdammte Wort!“
„Dann ist das hier jetzt für dich,
Nori.“
Sie lässt mich los, schreitet in
die Gasse der Autogrammjäger. Ihr Gang hat etwas Erhabenes. Wie eine Königin
auf dem Weg zum Schafott. Würdevoll bis zum Schluss. Als ich ahne, was sie tun
wird, ist es schon zu spät. Bettina hebt den Arm, zeigt auf die Einfahrt und
brüllt „George Michael!“ Dann rennt sie los.
Es geht ein Ruck durch die Reihen
der Autogrammjäger. Alle recken aufgebracht die Hälse. Die Polizisten gehen in
Stellung wie Verteidiger beim Football. Nur noch wenige Meter zwischen ihnen
und Bettina.
Keine Ahnung, warum, aber sie
lacht, jetzt aus vollem Herzen. Das weckt etwas in mir. Ich spüre einen Stoß
frischen Blutes in meinem Gehirn, als mein Puls sich beschleunigt. Ich spurte
los! Lachend! Ihr hinterher.
Mein Gott, bin ich verliebt!
Das ist der Startschuss für die
Autogrammjäger. Sie stürmen den Backstagebereich! Die Polizisten brüllen aufgeregt
in ihre Funkgeräte, aber es ist zu spät. Wir brechen durch. Es entsteht ein
wildes Gerangel. Ich verliere die Orientierung, entwinde mich einem festen
Griff - und bin drin!
Wo ist Bettina?
Ein Polizist hält sie fest.
Reflexartig mache
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