Makers
Revolution.
KAPITEL 9
DIE OFFENE ORGANISATION
Um Dinge auf neue Art herzustellen, muss man auch Firmen auf andere Art aufbauen.
Mitte der 1930er-Jahre dachte der frischgebackene Absolvent der London School of Economics, Ronald Coase, über eine Frage nach, die vielen Menschen wahrscheinlich albern erschien: Wozu existieren Firmen? Warum verpflichten wir uns einer Institution und versammeln uns in einem Gebäude, um Dinge zu erledigen? Die Antwort, die er schließlich fand, veröffentlichte er in seinem wegweisenden Artikel »The Nature of the Firm« aus dem Jahr 1937: Firmen existieren, weil sie die »Transaktionskosten« minimieren – Zeit, Ärger, Missverständnisse und Fehler. 33
Wenn Menschen ein gemeinsames Ziel haben, etablierte Rollen, Zuständigkeiten und Kommunikationswege, sind Aufgaben schnell erledigt. Man dreht sich einfach zu der Person am Arbeitsplatz nebenan um und fordert sie auf, ihre Arbeit zu tun.
Bei einem Interview aus dem Jahr 1990 deckte Bill Joy, Mitgründer von Sun Microsystems, mit einer beiläufigen Bemerkung eine Schwachstelle in Coases Modell auf: »Egal, wer man ist, die klügsten Leute arbeiten für jemand anderen«, bemerkte er. Dieser Ausspruch wurde später als »Joy’s Law« bekannt. Er meinte damit, dass wir um einer Minimierungder Transaktionskosten willen nicht mit den besten Leuten zusammenarbeiten, sondern mit denen, die unsere Firma einstellen konnte. Selbst bei den besten Firmen ist dieses Verfahren bestürzend ineffizient.
Joy griff mit seiner Bemerkung nur die Arbeit eines Zeitgenossen von Coase auf, Friedrich von Hayek. Während Coase die Existenz zentralisierter Organisationen erklärte, brachte Hayek Argumente dafür vor, warum es sie nicht geben sollte. In seinem eigenen richtungsweisenden Aufsatz »Die Verwertung des Wissens in der Gesellschaft« von 1945 wies Hayek auf die ungleiche Verteilung von Wissen unter den Menschen hin und darauf, dass zentral geplante und koordinierte Organisationen niemals auf verteiltes Wissen zurückgreifen können. 34 (Seiner Meinung nach können das nur freie Märkte.)
Ein halbes Jahrhundert später, als Joy sich ähnlich äußerte, war Sun Microsystems eine der erfolgreichsten Hightech-Firmen der Welt. Mit seiner Bemerkung warnte er davor, sich auf den eigenen Lorbeeren auszuruhen. Sun glaubte zwar, die besten Ingenieure und die beste Technologie zu haben, aber es gab mehr gute Leute außerhalb der Firma als innerhalb. Ganz gleich, was Sun unternahm, es bestand immer die Möglichkeit, dass die Konkurrenz von außen besser war. Gegen offene Innovationen kamen auch die stärksten Einzelfirmen nicht an. Und tatsächlich wendete sich das Blatt für Sun, und heute ist die Firma kein unabhängiges Unternehmen mehr. (Sun gehört jetzt zu Oracle. Joy hat die Firma verlassen und ist heute Risikoinvestor.)
Das Prinzip gilt heute noch. Man muss sich dazu nur einmal ansehen, wie selbst die besten Firmen bei der Personalsuche vorgehen, zum Beispiel Apple: Zunächst einmal befindet sich der Firmensitz in den Vereinigten Staaten, und die meisten Mitarbeiter hat die Firma in Cupertino, Kalifornien. Also haben Menschen, die bereits in den Vereinigten Staaten leben oder legal im Land arbeiten können, schon einmal bessere Chancen, und ebenso jene, die in der Gegend um San Francisco leben oder bereit sind, dort hinzuziehen. (In Cupertino ist es wunderschön, aber wenn Ihr Partner die Familie in Rom oder Chiang Mai nicht verlassen will, zählt das mehr.)
Wie alle Firmen stellt auch Apple lieber jemanden ein, der im fraglichen Bereich bereits Erfahrung hat. Auch Abschlüsse von guten Universitäten sind gern gesehen, weil sie auf Intelligenz und eine positive Arbeitsmoral hindeuten. Steve Jobs war zwar ein genialerSchulabbrecher, aber bei Apple gibt es nicht viele Angestellte mit einer ähnlichen Biografie. Die Firma mag mit »Think different« werben, aber ihr Personal wählt sie genauso aus wie jedes andere gute Unternehmen: nach beruflicher Qualifikation.
Sie kann auch nur Menschen einstellen, die eingestellt werden wollen. Damit fallen all jene weg, die ihren Job bei einer anderen Firma nicht aufgeben wollen. Kinder werden kaum eingestellt, ebenso wenig ältere Menschen und Straftäter, egal, wie klug sie sind. Es wird auch niemand eingestellt, der keine Geheimnisse bewahren kann und sich nicht an die Bedingungen im Arbeitsvertrag halten will, und so weiter.
Doch in jeder dieser Ausschlusskategorien gibt es kluge, sogar brillante
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