Mala Vita
Gästen sehen zu lassen, zumal er noch eine wichtige Angelegenheit zu erledigen hatte.
Eine Minute später betrat er das Hauptdeck, sah sich suchend um und ging auf Colonnello Fessoni zu, während er einigen Gästen verbindlich zunickte. »Ich möchte Sie einigen Bekannten vorstellen«, flüsterte er ihm freundlich zu. Fessonis Augen leuchteten dankbar.
Don Grasso führte ihn von Gruppe zu Gruppe und präsentierte seinen Schützling, ohne mit anerkennenden Worten für ihn zu sparen. Dem Colonnello war anzusehen, dass er seine Rolle als scheinbar wichtiger Freund des mächtigen Grasso genoss, und er versuchte seiner Miene trotz seiner erkennbaren Nervosität eine gewisse Würde zu verleihen.
»Sie haben sicherlich ein paar Minuten Zeit für mich, Colonnello«, bemerkte Grasso beiläufig. »Lassen Sie uns in ein ruhiges Eckchen gehen, damit wir uns ungestört unterhalten können!«
»Aber mit Vergnügen, Signor Grasso!« Fessoni nahm eine stramme Haltung ein.
Er schien die Bitte seines Gastgebers als besondere Ehre anzusehen, was sich in seiner ausgesucht beflissenen Haltung ausdrückte. Mit Achtung heischenden Blicken folgte er Grasso auf das zweite Oberdeck. In dessen vorderem Teil befand sich ein im Stil einer alten Kapitänskajüte eingerichteter Besprechungsraum.
»Zigarre?« Grasso reichte dem Colonnello eine Holzkassette mit Havannas. »Sonderanfertigung«, bemerkte er. »Ein Geschenk meines guten Freundes Castro. Die biete ich nicht jedem an.«
Fessoni bediente sich, dankte militärisch knapp und schnupperte in weltmännischer Manier an dem teuren Stück. Nachdem die zwei Männer in den schweren Ledersesseln Platz genommen und ihre Zigarren angezündet hatten, schob Grasso den Kristallaschenbecher in die Mitte und musterte sein Gegenüber freundlich.
»Ich habe Sie, verehrter Fessoni, auf Empfehlung des Vice Ministro della Finanza Gasparo eingeladen. Er leitet, wie sie wissen, das Dipartimento für Wirtschaft und Steuern und hat enorme politische Ambitionen. Ein beeindruckender Mann, finden Sie nicht?«
Fessoni nickte und nippte an seinem Glas. Bevor er auf Grassos Worte reagieren konnte, fuhr jener fort: »Er ist ein Mann, der sich hervorragend als unser neuer Ministerpräsident eignen würde. Ihr Vorgesetzter ist, wenn ich mich nicht irre, sehr eng mit Gasparo befreundet. Und wie ich bereits sagte, er hält große Stücke auf Sie.«
»Er hat mich empfohlen?«, echote Fessoni erstaunt.
»Das kann Sie doch nicht wirklich überraschen, mein Lieber! Sie wissen, dass Sie viele Fürsprecher haben. Leistung spricht sich schnell herum. Wo man auch hinhört, man äußert sich außerordentlich positiv über Sie, lieber Oberst. Sie gelten als engagiert, als erfolgreich und haben innerhalb kürzester Zeit eine bemerkenswerte Karriere gemacht.
Chapeau!
Italien braucht Männer wie Sie.«
»Danke für das Kompliment«, entgegnete der Colonnello.
»Nicht zuletzt haben Sie mir wertvolle Dienste geleistet«, fuhr Grasso fort. »Ihre Kontakte zu hohen Militärs in diversen Spannungsgebieten sind exzellent. Die Industrie hat viel von Ihren Verbindungen profitiert.«
Fessonis Miene zeigte Genugtuung, und er deutete eine Verbeugung an, die sowohl Respekt als auch Ergebenheit ausdrückte. »Ich fühle mich geehrt, diese Anerkennung aus Ihrem Munde zu hören, Signore.«
Grasso lächelte über die Beflissenheit in Fessonis Zügen. Wie es ihm schien, nahm das Gespräch mit dem Colonnello den von ihm gewünschten Verlauf, zumal Fessoni hinzufügte: »Ich betrachte es als besondere Anerkennung, auf Ihrem Schiff Gast sein zu dürfen.«
Grasso winkte ab. »Nicht der Rede wert! Allerdings …«, fuhr er mit einem Unterton in der Stimme fort, der nach leiser Kritik klang.
Fessonis Augenbrauen zogen sich verunsichert zusammen. »Ja …?«
»Sie wissen, dass ich Ihren Arsch gerettet habe?«
Der Colonnello sah Grasso konsterniert an. »Ich habe keine Ahnung, was Sie meinen, Signore …«
»Machen Sie sich keine Gedanken, mein Lieber! Es ist gerade noch einmal gutgegangen.« Grasso lächelte undurchdringlich. »Lassen Sie mich gleich auf den unerfreulichen Teil unseres Gespräches kommen! Umso schneller haben wir ihn hinter uns.« Er zog genüsslich an seiner Havanna. »Kennen Sie Signor Monti?«
Fessoni starrte Grasso an, als verstehe er jetzt gar nichts mehr.
»Tenente Monti! Ihr Freund, Mitarbeiter und Kollege!«, setzte Grasso nach, als wolle er seinem Gegenüber den Namen ins Gedächtnis rufen. »André Monti hat
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