Mala Vita
habe es mir gerade eben bei Bernini gekauft.«
»Bernini!« Grasso stieß einen anerkennenden Pfiff aus. Interessiert nahm er den Reverskragen zwischen die Finger und befühlte die Qualität des Stoffes. »War nicht billig! Du hattest schon immer einen guten Geschmack, das muss man neidlos anerkennen.« Er beugte sich zu Massimos Ohr. »Schade«, flüsterte er. »Eine völlig unrentable Investition.«
Der Patrone richtete sich wieder auf, und mit einem Blick zu Marco sagte er: »Du bist mir dafür verantwortlich, dass es hier oben keine Störungen gibt.
Chiaro?
«
Marco nickte und pulte in Ermangelung eines Zahnstochers jetzt mit dem Zeigefinger in seinen Backenzähnen.
»Ich muss zu meinen Gästen«, fuhr Grasso fort. »Sieh zu, dass der Abgang der beiden geräuschlos vonstatten geht! Und nimm endlich eine Zahnbürste und nicht die Finger! Das ist ekelhaft!«
»Was hast du vor?«, rief Massimo aus dem Hintergrund. Panik sprach aus seinen Augen, und er hatte Mühe, seine zitternden Hände unter Kontrolle zu halten. Sein Blick kreuzte sich mit dem Santorinis, der aschfahl im Sessel zusammengesunken war. Schweiß stand auf seiner Stirn, und seine Augen flehten Don Grasso an.
»Du wirst doch jetzt nicht anfangen zu jammern!«, fauchte der Patrone.
»Das kannst du nicht tun! Wir sind doch Freunde!«, wimmerte Santorini. »Den ganzen Scheiß hat Massimo zu verantworten. Jahrelang habe ich deinen Deppen gespielt, habe dir die Kastanien aus dem Feuer geholt, den Rücken freigehalten … Du wirst doch jetzt nicht …«
»Halte die Klappe, Santorini!«, raunzte Grasso barsch und schüttelte ungläubig den Kopf. »Es ist doch immer dasselbe! Nichts kann man euch beiden recht machen! Ihr beklagt euch über euer Leben? Weshalb bedauert ihr dann das Ende?«
»Du Hurensohn! Damit kommst du nicht durch!«, brüllte nun Massimo wieder, als wolle er den
Capo dei Capi
beeindrucken.
Doch Grasso wandte sich ab und schien die beiden gar nicht mehr zu bemerken. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verließ er seine Kommandozentrale.
Das leise Vibrieren des Schiffskörpers kündigte an, dass die zwanzigtausend Pferdestärken der gewaltigen Motoren ihre Arbeit begannen. Ratternd hob sich die Ankerkette.
Die »Alexandra« hatte Kurs auf Sardinien genommen. Hinter ihr glich Palermo einer schillernden Diva mit einer Diamantkette, deren Lichter das nächtliche Ufer säumte. Der Muskelberg Giulio war aufs Deck zurückgekehrt und wartete mit undurchdringlicher Miene an der Tür. Er hatte Don Grasso im Gespräch mit einigen Gästen entdeckt und versuchte Augenkontakt herzustellen. Als der Patrone zu ihm hinübersah, gab er ihm mit einem kaum wahrnehmbaren Nicken zu verstehen, dass alles vorbereitet war.
Don Grasso begab sich unauffällig zum Außendeck, von dem aus eine schmale Treppe nach unten führte. Auf ihr erreichte er das Unterdeck. Ungesehen kam er nach einigen Schritten ins Achterschiff. Das im Dunkel knapp über der Wasserlinie liegende Heck war kaum zu erkennen. Grasso beugte sich aus dem kleinen Seitenausschnitt der Bordwand, zog sein Handy aus der Tasche und wählte.
»
Buona sera
, Perlaquale«, meldete er sich nach wenigen Sekunden. »Schön, dass ich dich gleich erreicht habe.« Er hörte für einen Moment zu, und in seinem Gesicht zog ein zufriedenes Lächeln auf. »Ich wusste, dass du das hinkriegst. Allerdings gibt es eine kleine Änderung im Programm. Ich bin gerade auf der ›Alexandra‹. In etwa vier Stunden wird sie wieder in Palermo einlaufen. Ruf mich zurück, ich muss ungestört mit dir reden!« Angespannt hörte er sich an, was die Stimme am anderen Ende der Leitung zu sagen hatte, und augenblicklich erstarrten seine Züge. »Ein Banksafe? Aufzeichnungen? Über mich? Hmm …« Eine Sekunde lang dachte Don Grasso nach. Jetzt war das eingetreten, was er am meisten befürchtet hatte. Sein ehemaliger Consigliere war nicht nur ein Dieb, sondern auch ein Verräter. Er hatte die
omertà
verletzt und gefährdete post mortem möglicherweise das ganze System.
»Senti!«,
begann er leise ins Handy zu sprechen. »Beschaffe mir unter allen Umständen diese Unterlagen! Mir ist gleich, wie du das anstellst. Du gibst sie mir persönlich. Und noch etwas: Enricos Bruder ist zu einem unkalkulierbaren Risiko geworden. Hörst du? Ruffo und Gallerte werden dich unterstützen, dafür sorge ich. Sie werden Kontakt zu dir aufnehmen. Halte dich weiterhin bedeckt und lass sie die Drecksarbeit machen! Wenn alles erledigt ist, fliegt
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