Mala Vita
ihr sofort wieder zurück nach Palermo!« Er senkte die Stimme, die plötzlich einen merkwürdig weichen Klang bekam. »Ich freue mich, dich bald zu sehen. Vergiss nicht, dich in vier Stunden bei mir zu melden, damit ich dir die Einzelheiten durchgeben kann!« Grasso beendete mit nachdenklicher Miene das Gespräch und wandte sich dem Heck der »Alexandra« zu.
Schemenhaft nahm er mehrere rauchende Männer wahr, deren Gesichter beim Aufglimmen der Zigarettenglut bizarre Umrisse annahmen. Sie standen im Halbkreis und unterhielten sich. Der Patrone sah die Konturen von zwei auf dem Boden zusammengekrümmten Leibern. Er trat näher und blickte auf sie hinunter. Santorini und Massimo lagen geknebelt und mit dünnem Draht an Händen und Füßen gefesselt auf den kalten Mahagoniplanken. Grassos Blick fiel hasserfüllt auf seine ehemaligen Weggefährten.
Mit vor panischer Angst geweiteten Augen beobachteten diese, was um sie herum vorging. Don Grasso beugte sich zu ihnen hin und überprüfte den Sitz der Bleigürtel, die man um ihre Hüften gezurrt hatte.
»Eure Dummheit und Leichtsinnigkeit hätten mich den Kopf kosten können«, sagte er. »Es tut mir leid, ich habe keine andere Wahl.« Er wandte sich an die Männer, die regungslos neben dem Stellhebel für die Ladeluke standen. »Luke öffnen!«, befahl er.
Einer der Männer legte den Hebel um, und die hintere Bordwand senkte sich. Ein gähnend schwarzer Schlund tat sich auf, und das von zwei Schiffsschrauben schäumend aufgewirbelte Wasser übertönte jedes Geräusch. Der Blick des Patrone schweifte über die See und das funkelnde Palermo, dann lehnte er sich nach vorn und schaute nach oben. Keiner der Gäste schien sich auf dem Freideck aufzuhalten. In der Ferne glitzerten die Lichter an Palermos Ufer.
Grasso wandte sich an die Leibwächter der verschnürten Dons. Immer noch standen sie abwartend im Hintergrund und beobachteten mit Respekt und demütiger Angst die gespenstische Szene. »Wie tief könnte das Wasser hier sein?«, fragte der Patrone zynisch in ihre Richtung.
Die Bodyguards blickten sich ratlos an.
»Keine Ahnung, was?«, knurrte Don Grasso. »Ich schätze, hundertdreißig Meter. Raus mit ihnen!«, befahl er und machte eine Kopfbewegung in Richtung Wasser.
[home]
Kopf in der Schlinge
K urze Zeit später stand Romano Grasso im Achterschiff an der Reling und wählte Ruffos Nummer. Hier draußen auf offener See war die Gefahr denkbar gering, dass seine Telefonate abgehört wurden, zumal er über modernste technische Einrichtungen an Bord verfügte, die eventuellen Lauschern nur ein durchdringendes Rauschen liefern würden.
»Bist du das, Ruffo?«, meldete sich Grasso in scharfem Ton. »Der Urlaub ist zu Ende. Ihr setzt euch sofort in den Jet. Du fliegst mit Gallerte nach Antigua. Hast du mich verstanden?« Grassos Miene zeigte Zufriedenheit, als er die Antwort seines Gesprächspartners hörte. »Nein!«, knurrte er auf die Frage aus dem Äther. »Santorini und Massimo sind Vergangenheit. Fischfutter.
Capisci?
Ab sofort redet ihr ausschließlich mit mir, und ihr tut, was ich euch auftrage.
Tutto chiaro?
«
Ein knappes »
Sì
, Don Grasso« kam aus dem Satellitennetz. »Sie können sich auf uns verlassen.«
»Ihr fliegt umgehend nach Saint John’s. Ich werde später dem Piloten entsprechende Anweisungen erteilen. Perlaquale wird mit euch Verbindung aufnehmen. Ich gebe euch in den nächsten Stunden durch, wo ihr euch treffen könnt. Roberto Cardone wird sicher in Antigua auftauchen und sich an meinem Geld vergreifen wollen. Perlaquale ist ihm auf den Fersen und wird vermutlich ein oder zwei Tage nach euch in Saint John’s ankommen. Verschafft euch in der Zwischenzeit einen Überblick, damit es keine Komplikationen gibt. Wenn Cardone ankommt, lasst ihn nicht mehr aus den Augen! Keine Sekunde,
capisci?
Ihr seid mir für mein Geld verantwortlich. Ich möchte nicht, dass es wieder versehentlich verlorengeht?«
Don Grasso unterbrach seine Anweisungen und hörte zu, was Ruffo ihm zu sagen hatte. Dann erwiderte er: »Ihr behandelt Perlaquale mit Respekt, sonst kastriere ich euch höchstpersönlich! Ihr werdet euch exakt an die Anweisungen halten,
tutto chiaro?
« Romano Grasso nickte zufrieden, als er Ruffos
»capito«
hörte. »Der Pilot soll mich schnellstens anrufen und mir Flugzeiten und Ankunft in Antigua durchgeben, damit ich den Rest organisieren kann.«
Ruffo hatte verstanden, und Grasso beendete das Telefonat. Es wurde Zeit, sich wieder bei den
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